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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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in Schrecken und Angst zu versetzen.
    »Du wirst mich bald begreifen!« Und mich an den eintretenden Omar wendend, frug ich: »Omar-Arha, sind die Läufe Deiner Pistolen geladen?«
    »Herr!« antwortete er, die beiden Männer, von denen wenigstens der Eine ihm nur zu wohl bekannt war, mit feindseligem Blicke messend, »sage mir, wen ich niederschießen soll!« Und in demselben Augenblicke blitzen auch die blankgeputzten Läufe der beiden Schießwaffen in seinen Händen.
    »Jeden, der dieses Zimmer verlassen will, ohne daß ich es ihm erlaube!«
    »Gut, Effendi!«
    Die Hähne knackten, und wie er in entschlossener Haltung und mit haßerfüllten Zügen an der Thüre stand, mußten die Beiden sofort erkennen, daß er meinem Befehle unbedingte Folge leisten werde, so wenig ernst es mir auch eigentlich mit ihm gemeint war.
    »Abrahim-Arha, kennst Du mich?« wandte ich mich wieder an diesen.
    »Dich, den Räuber meines –«
    »Halt!« unterbrach ich ihn. »Nicht seit dieser Zeit meine ich, sondern früher? Als ich zu Dir kam, gerufen von Dir, um Leïlet gesund zu machen, da sah ich Deinen Auge den Gedanken an, daß Du mich schon einmal gesehen habest. Doch war Deine Erinnerung zu schwach, Dir zu sagen, wo.«
    Er blickte, ohne zu antworten, mich erwartungsvoll an.
    »Denke an den Franken, den Du, Hedjahn-Bei, der Mörder der Karawanen, in der Wüste von Dakel überfielst, beraubtest und tödten wolltest. Er war stärker und klüger als Du und entkam Dir, aber Alles, was er besaß, seine Habe, seine kostbaren Sammlungen, mußte er verloren geben. Wo hast Du mein Eigenthum, Mann? Ich fordere es von Dir bis auf das letzte Kameelhalfter, bis auf die letzte Zeltstange – mein Eigenthum, oder Dein Leben!«
    In seinem Angesichte kämpften Furcht und Wuth miteinander, Furcht, meiner Entschlossenheit gegenüber, und Wuth, mir zum zweiten Male als Besiegter gegenüber zu stehen, mir, den er jetzt erst und allerdings nun zu spät wieder erkannte. Aber fast noch mehr, als er, nahm Omar meine Aufmerksamkeit in Anspruch, der jenem Ueberfalle ebenfalls mit beigewohnt und später wohl tausend Mal dem Räuber in den glühendsten und dabei belustigendsten Ausdrücken Haß und Rache geschworen hatte. Mit weit vorgebogenem Oberkörper und vor Hast stotternder Stimme rief er:
    »Effendi, Effendina, ich beschwöre Dich bei Allem, was im Himmel und auf Erden ist, sogar bei dem Barte aller alten Weiber – den ihnen Allah noch lange erhalten möge – ist er’s, ist er es wirklich?«
    »Er ist es!« bekräftigte ich, mußte aber den erbitterten Diener mit einem strengen Befehle abhalten, sich auf Abrahim zu stürzen.
    »Und Du,« wandte ich mich jetzt zu seinem Begleiter, »Du hast geraubtes Gut empfangen, um die Schwester Deines Weibes zu verkaufen! Frag’ das Gesetz, welches Loos Deiner wartet.«
    Der Egypter hatte sich jetzt endlich von seiner Ueberraschung erholt und erkannte – allerdings wenigstens mit einigem Rechte – in meinen Worten eine leere Drohung.
    »Deine Rede ist weise,« meinte er in dem Tone schadenfroher Ueberlegenheit. »Aber, Du vergissest, daß die Gnade des Mächtigsten im Lande mich erleuchtet hat. Du zuckst die Waffe Deines Dieners gegen mich; das Gesetz wird diese That bestrafen!«
    »Du hast recht gesagt: meine Rede ist weise; aber die Quelle Deines Mundes giebt schmutziges Wasser. Weißt Du nicht, daß dieser Mächtigste im Lande keine Missethat vergeben kann, die an einem Unterthauen meines Landes, an einem Diener meines Herrschers verübt worden ist? Du kannst der Strafe nicht entgehen, denn der Consul meines Volkes wird nicht ruhen, bis der Gerechtigkeit genug gethan ist!«
    Er erblaßte und schwieg, und auch der Levantiner bot einen Anblick dar, welcher mich auf den Gedanken brachte, daß er in irgend einer Weise, vielleicht als Hehler und Ankäufer des erbeuteten Gutes, dem früheren Thun Abrahims nahe gestanden habe. Ich mußte den Vortheil, den ich errungen hatte, auszunutzen suchen.
    »Abrahim-Arha, ich habe Dir die Kraft meines Armes und den Muth meiner Seele gezeigt, Du sollst auch die Güte meines Herzens kennen lernen. Setze Dich an meine Seite; wir wollen Worte der Versöhnung miteinander sprechen!«
    Er folgte halb gern, halb widerwillig meiner Aufforderung, und nun begann eine Unterredung, in welcher Alles entwickelt wurde, was die Betheiligten an Scharfsinn und Willenskraft besaßen, eine Unterredung, welche alle Empfindungen und Regungen, deren das menschliche Herz fähig ist, in Gährung

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