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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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überschwemmte. Zugleich drang ein scharfer, stechender, gasartiger Geruch in die Athmungswerkzeuge und die Luft schien von leichtflüssigem, ätherischen Feuer erfüllt zu sein.
    Ich kannte dieses furchtbare Phänomen, denn ich hatte es im Gebiete Venango in seiner ganzen Schrecklichkeit gesehen: Der Erdbohrer war auf Oel getroffen und da es in der Nähe unvorsichtiger Weise Licht gegeben hatte, so war der aufsteigende Petroleumstrahl und mit ihm die nahe, mit leichten Gasen geschwängerte Atmosphäre in Brand gerathen.
    »Das Thal brennt!« rief Sam, zu seinem Pferde eilend. »Vorwärts, Sir, sonst sind wir verloren!«
    Er sprach die Wahrheit. Die an den verschiedenen Arbeitsplätzen brennenden Lichter gaben den flüchtigen Oeltheilen immer neue Entzündungspunkte. Die Fluth des hochaufsprühenden Brennstoffes breitete sich mit unglaublicher Raschheit über das ganze obere Thal aus und hatte jetzt den Fluß erreicht.
    Wir dachten nicht mehr an unsern »Block um das Haus«, es galt, Alles einzusetzen, für das nackte, bloße Leben. Schon hatte ich den einen Fuß im Bügel, als ich einen klagenden Weheruf vernahm. Da, wo sie sich befunden hatte, als der Donnerschlag ertönte, lag die Frauengestalt, die an uns vorübergeschritten war, in den Knieen; der Schreck hatte sie niedergeworfen, und das Entsetzen lähmte ihre Bewegungen.
    Mit einem raschen Sprunge war ich bei ihr, zog sie empor, eilte mit ihr zu Arrow zurück und schwang mich in den Sattel. Soeben schoß Sam Hawkens auf seiner Mary thalabwärts in die glühend erleuchtete Nacht hinein; mein Mustang folgte in rasendem Laufe; sein Instinkt machte die Führung des Zügels und den Gebrauch der Sporen vollständig überflüßig. Der Bergpfad, welcher uns herabgeführt hatte, war uns verschlossen, denn der Gluthstrom war schon an ihm vorübergefluthet. Wir mußten die Höhe zu gewinnen suchen und konnten nur abwärts Rettung finden; aber ich hatte am Tage Nichts einem Wege Aehnliches bemerkt und im Gegentheile gesehen, daß die Felswände so eng zusammentraten, daß der Fluß sich nur schäumend den Ausweg erzwingen konnte.
    Die alte, langbeinige Mary lief zum Verwundern; mein Hengst konnte sie nur um wenige Kopflängen überholen. Die braven Thiere fühlten die Gefahr, welche sich mit jeder Sekunde vergrößerte. Der glühende Strom hatte die Lagerräume erreicht; die Fässer sprangen mit Kanonenschußähnlichem Knalle und ergossen ihren sofort in heller Lohe brennenden Inhalt in das auf diese Weise immer mehr anwachsende und immer rascher vorwärtsschreitende Feuermeer. Die Luft war zum Ersticken heiß; ich hatte das Gefühl, als koche ich in einem Topfe siedenden Wasser und doch wuchsen Hitze und Trockenheit mit solcher Rapidität, daß ich endlich innerlich zu brennen meinte. Die Sinne wollten mir schwinden, aber es galt nicht blos mein Leben, sondern auch dasjenige des Wesens, welches vollständig besinnungslos vor mir quer über dem Sattel lag.
    Die Flammen beleuchteten die Felswände hell genug, um erkennen zu lassen, daß diesseits des Flusses kein Pfad empor zur Höhe führte. Wir mußen hinüber auf die andere Seite. Ein leiser Schenkeldruck – ein Sprung des gehorsamen Thieres und hochauf schlugen die Wellen über uns zusammen. Ich fühlte neue Kraft, neues Leben durch die Adern pulsiren, aber das Pferd war unter mir verschwunden. Doch das war jetzt gleich, nur hinüber, immer hinüber! Ich schwamm wie noch nie, nie in meinem ganzen Leben, mit einer Angst, die nicht zu beschreiben war. Hawkens war mir gefolgt; ich hörte sein Stöhnen hinter mir.
    Als ich das Ufer erreichte, schnaufte es an meiner Seite – Arrow, Du Treuer, Wackerer, bist Du es? – Ich schwang mich mit meiner Bürde von Neuem auf. Fast wahnsinnig vor Aufregung und Ueberanstrengung ging es wieder vorwärts; ich wußte nicht mehr, was ich that, ich ließ dem Pferde freien Willen und fühlte nur, daß es in rasendem Laufe vorwärts schoß, dann in weiten Sätzen über Risse und Sprünge setzte, ferner mit keuchenden Schnauben von Kante zu Kante, von Fels zu Fels kletterte und endlich freudig wiehernd stille stand.
    Es dauerte lange, ehe ich mich so erholt hatte, daß ich meine Lage überblicken konnte. Der Himmel glänzte blutig roth und der Brodem des entfesselten Elementes cumulirte in dichten, schwarzen, von purpurnen Lichtern durchbrochenen Ballen über dem Heerde der Verwüstung. Wie es dem Pferde gelungen war, ich weiß es heut noch nicht, aber es hatte seine doppelte Last die

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