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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zum Leuchtthurm gemacht haben, ist er längst hier. Ich kenne ihn. Wir sind mit einander über den Kalina-Ganga, über den Kalu-Ganga und sogar über den reißenden Mehavella-Ganga geschwommen. Er war früher Perlfischer auf den Bänken von Negombo und ist nur mir zu Liebe mit in das Innere der Insel gegangen. Ich erkannte ihn gleich und werde ihn retten. Da, da hat er das Ufer erreicht! Es ist ein Glück, daß kein Haifisch in der Nähe war, sonst hätte er wegen der gefesselten Arme einen schweren Stand gehabt. Kommt, Charley, wir gehen ihm entgegen! Er hat mich erkannt und kommt herbei.«
    Es war so. Walawi war ans Land gestiegen und kam zu der Plattform, auf welcher sich die schlanke Säule des eisernen Thurmes erhob, eiligen Laufes heraufgesprungen. Wir stiegen schnell die Treppe hinab und stießen unten an der Thür mit ihm zusammen.
    »Wischnu segne Euch, Sihdi,« grüßte er athemlos. »Ich war dem Tode nahe; sie wollten mir die Beine noch fesseln und die Augen verbinden. Ihr aber seid ein Radscha, ein Herr, ein Maharadscha, ein großer Herr und werdet Walawi, Euren treuen Diener retten!«
    »Ja, das werde ich thun!« antwortete Wolpole, indem er sein Messer hervorzog und die Baststricke, mit denen der Singhalese gebunden war, durchschnitt. »Was hast Du verbrochen?«
    »O Nichts, Nichts, Herr, fast gar Nichts. Mein Kris war sehr scharf und spitz und ist Einem in’s Herz gefahren, weil er mir mein Weib, die Blume und das Glück meines Lebens, rauben wollte.«
    »Alle Teufel, Mensch, das ist schon Etwas mehr als Nichts! Hast Du ihn getödtet?«
    »Ja.«
    »Was war er?«
    »Er hieß Hong-Tsche und war ein Chinese.«
    »Blos ein Chinese? Das ist gut! Wollte er Deine Frau für sich?«
    »Nein, sondern für seinen Kapitän, der sie am Strande gesehen hat. Er lag mit seiner Dschonke im Hafen; ich sehe sie nicht mehr; sie muß abgesegelt sein!«
    »Ich weiß genug! Du kennst das Hôtel Madras?«
    »Wie sollte ich nicht? Ihr habt ja zweimal daselbst gewohnt!«
    »Ich wohne wieder da. Verbirg Dich jetzt; dort kommen schon Deine Verfolger. In einer Stunde aber suchst Du mich auf!«
    »O Sihdi, Herr, wie soll ich Euch danken? Ich habe mein Leben wieder und darf mein Weib umarmen. Wischnu, der Gütige, möge Euch lohnen!«
    Er faßte die Hände des Engländers und drückte sie an seine Stirn. Dann sprang er mit der Geschmeidigkeit einer Katze davon.
    Es war die höchste Zeit für ihn, denn die Soldaten befanden sich schon in der Nähe und eine Menge Volkes, welches auf die Flucht aufmerksam geworden war, kam herbeigelaufen. Ich war einigermaßen besorgt über den Verlauf, den die Sache nehmen werde. Wolpole aber trat den Verfolgern, deren Anführer uns jetzt erreicht hatte, mit seinem gewöhnlichen Gleichmuthe entgegen.
    »Was wollt Ihr hier?«
    Der Mann stutzte bei dem barschen, befehlshaberischen Tone dieser Frage.
    »Wir suchen den Mann, der uns entlaufen ist. Der große Mudellier hat ihn zum Tode verurtheilt, Ihr aber seid ihm zur Flucht behülflich gewesen. Ich muß Euch verhaften!«
    Der gute Sir John Emery lachte, daß ihm die Thränen in die Wimper traten.
    »Verhaften? Mich, einen Gentleman aus Altengland verhaften? Hier auf Ceylon? Mensch, Du bist verrückt! Der Mann, den Ihr sucht, war mein Diener; er gehört mir, und Niemand darf ihm ohne meinen Willen ein Haar krümmen!«
    »Warum blieb der Mann jetzt nicht bei Euch, wenn er Euer Diener ist?« frug der Anführer der Soldaten den Engländer.
    »Ich schickte ihn fort, weil es mir so gefiel. Du aber eilst sofort zum Mudellier und sagst ihm, daß ich zu ihm kommen werde, um mit ihm zu sprechen!«
    »Ihr werdet mit ihm reden, denn ich muß Euch verhaften und zu ihm führen. Den aber, welchen Ihr Euren Diener nennt, werde ich verfolgen lassen und sicher wieder fangen!«
    »Versuch’s, ob Du es fertig bringst!« antwortete Walpole belustigt, indem er zwei riesige Drehpistolen hervorzog.
    Ich folgte natürlich seinem Beispiele. Der Ceylonese kam in eine schauderhafte Verlegenheit. Die Pflicht stritt in ihm mit der Furcht, welche ihm unsre Waffen einflößten. Die Letztere schien zu siegen.
    »Könnt Ihr mir beweisen, daß Ihr wirklich aus Anglistan seid,« frug er besorgt, »und werdet Ihr auch in Wahrheit zum Mudellier gehen?«
    Walpole liebkoste lächelnd seinen Cotelettenbart. Der Zwicker war ihm wieder auf die Nasenspitze vorgerutscht und der Blick, welcher über denselben hinwegblitzte, leuchtete vor Vergnügen.
    »Ich bin ein Maharadscha aus Anglistan und

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