Der Gitano. Abenteuererzählungen
Chloroform auf das Gesicht gelegt und endlich eine Gabe Blausäure oder Strychnin eingeflößt. Es ist kein Zweifel, daß hier eine absichtliche Mordthat vorliegt, er hat das Gift nicht verschluckt. Noch ist vielleicht Hülfe möglich. Aber wer ist der Thäter gewesen? Ich werde die Apotheke untersuchen!«
Gromann eilte zu dem Schranke, welcher die Medicamente enthielt. Das Strychnin fehlte.
»Ah – Master Haffley, das ist Dein letztes Werk gewesen; darauf kannst Du Dich verlassen! Nun aber rasch zum Gegengifte!«
Der wackere junge Mann that, was in seinen Kräften stand, und hatte, allerdings nach einer ziemlich langen Zeit, auch die Genugthuung, zu bemerken, daß dem Bewußtlosen die Besinnung wiederkehrte.
»Anitta!« rief er matt.
»Du wirst sie sehen, Eduard. Kennst Du mich?«
Der Gefragte schlug mit Mühe die Augen auf; sein Blick belebte sich mehr und mehr.
»Gromann – ist – es – möglich!«
»Ja, ich bin’s, Eduard. Wie fühlst Du Dich?«
»Müde.«
»So trink hier, immer trink; das wird Dir neue Kräfte geben.«
Horn trank und fühlte wirklich Kraft und Leben durch seine Adern rinnen.
»Wo bin ich?«
»Im Lazareth auf der Mission ›Santa Barbara‹.«
»Bei Doctor Haffley!«
Dieser Name brachte ihn vollständig zum Bewußtsein dessen, was geschehen war. Er fuhr empor.
»Wo ist der Schurke?«
»Wer?«
»Der Doctor.«
»Ich glaube, unten bei Sennor Carlos und Anitta.«
»So muß ich hinab, jetzt gleich, auf der Stelle!«
»Bleib liegen, Eduard, und erzähle, wenn es Dich nicht zu sehr anstrengt! Doch halt, ich höre Schritte auf der Treppe. Haffley ist’s. Stelle Dich todt!«
Er schlug die Decke wieder über ihn und trat dem Kommenden mit unbefangener Miene entgegen.
»Ist Etwas vorgefallen?«
»Nein.«
»Hast Du Dir den dort angesehen?«
»Ja.«
»Nun?«
»Er ist todt, Hülfe nicht mehr möglich. Konntest ihn liegen lassen da unten. Nun haben wir Nichts davon als Mühe und Plackerei!«
»Wahr ist’s. Man läßt dem Herzen immer noch zu viel Willen. Punkt Zwölf habe ich Verlobung. Bist auch eingeladen. Wirst Du Dich sehen lassen?«
»Verlobung? Ach so, Punkt Zwölf ist die Frist abgelaufen, ich komme!«
»Schön!«
Er ging, ohne einen Blick nach dem Bette zu werfen. Gromann kehrte zu Horn zurück.
»Wo ist mein Geld?« frug dieser.
»Dein Geld? ich weiß von Nichts!«
Er ließ sich erwartungsvoll am Rande des Lagers nieder, und nun begann ein leise geführtes Gespräch, welches erst kurz vor Mitternacht endete.
Um diese Zeit saß der Doctor mit Sennor Carlos unten am Tische und sprach mit ihm der Flasche eifrig zu. Die beiden Männer freuten sich über die Luftschlösser, welche Haffley so geschickt aufzubauen wußte, während Anitta mit der Mutter sich in die Ecke zurückgezogen hatte und ihren Trübsinn kaum zu beherrschen wußte.
Da klopfte es trotz der späten Stunde noch an die Stubenthür.
»Das wird Gromann sein,« meinte der Doctor Haffley. »Herein!«
Der Eingang öffnete sich, aber statt des Erwarteten traten mehrere Männer ein, welche polizeiliche Uniformen trugen.
»
Good evening,
Mesch’schurs und Mylady’s. Ist der ehrenwerthe Master Haffley hier zu finden?« frug der Vorderste von ihnen.
»Ich bin es,« antwortete der Doctor, mit leichenhafter Blässe im Gesichte sich erhebend.
»So! Wollt Ihr mir vielleicht sagen, seit welcher Zeit Ihr diesen hübschen Namen führt?«
»Wie meint Ihr das, Sir?«
»Hm, ich möchte Euch gern wieder zu Euern richtigen Namen verhelfen, der Euch abhanden gekommen ist damals in Norfolk bei Master Cleveland. Hieß er nicht Walker, Sir?«
»Ich glaube, Ihr befindet Euch in einem Irrthume, wenn – – –«
»Stopp, Master Walker! Die Polizei hat schon längst ein liebevolles Auge für Euer Thun und Treiben hier gehabt, und nur gewartet, bis einmal der richtige Augenblick kommt. Der ist nun da, und von einem Irrthume wollen wir da nicht sprechen.«
Er trat zur Thür, welche er aufstieß.
»Wollt Ihr jetzt hereinkommen, Master Gromann? Ihr seid ja eingeladen und braucht Euch also gar nicht zu geniren.«
Haffley trat einen Schritt zurück und griff nach einem auf dem Tische liegenden Messer.
»Laßt den Kneif da, wo er ist, mein Junge, sonst greifen wir auch nach unserm Eisen! Hollah, Kinder, legt ihm einmal die Spangen um die Hände und seht, was in seinen Taschen zu finden ist!«
Er wurde trotz seiner Gegenwehr leicht überwältigt und gefesselt. Man fand einige Schlüssel bei ihm und ein kleines
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