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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Aufruhrerregenden (Löwe), nicht fürchtet! Aber ich, Ali el Hakemi Ebn Abbas Ebn er-Rumi Ben Hafs Omar en Nasafi, ich habe von dem Vater meines Bruders die Flinte des weisen Sultans Soliman (König Salomo) geerbt, der mit den Thieren redete, und fürchte mich selbst vor dem schwarzen Panther nicht, der noch gefährlicher ist als der Löwe, den wir Abu el Salßali, Vater des Erdbebens, nennen!«
    Ich mußte die Feinheit anerkennen, mit welcher er seine Tapferkeit noch über die meinige zu stellen verstand, und ließ ihn ruhig gewähren, bis wir vor dem Hause meines Gastfreundes, des jüdischen Kauf-und Handelsherrn Manasse Ben Arahab anlangten. Ich warf Ali die Zügel meines Pferdes zu, begab mich in die mir angewiesene Wohnung, um mich umzukleiden, und suchte dann den Hausherrn auf. Ich mußte mich wundern, daß mir von der zahlreichen Dienerschaft Niemand begegnet war und erschrak wirklich, als ich in den Divan trat und den ehrwürdigen Manasse nicht wie gewöhnlich mit unterschlagenen Beinen sitzend, eine Stellung, welche der Türke Rahat oturmak, Ruhen der Glieder nennt, sondern mit wirrem Haar und tief vergrabenem Gesichte lang auf den Kissen liegend fand.
    »Salem aaleïkum, Friede sei mit Dir!« grüßte ich ihn.
    »Salem – Friede –?« Wie soll sein Friede im Hause Ben Arahab, wo die Brunnen weinen und die Mauern klagen über – – ah, Du bist’s Du?, Gelobt sei Gott, der Allmächtige, der Dich zurückgeführt hat an die Stätte des Unglücks! Sei mir willkommen, Effendi, und vernimm das Leid, das über uns hereingebrochen ist!
    »Was ist geschehen?« frug ich, erschüttert von dem Ausdrucke der Verzweiflung, die in seinen bleichen Zügen zu lesen war.
    »Was geschehen ist?« Der Gott meiner Väter hat sein Angesicht von mir gewendet und mir genommen das Kind meines Alters, welches gewesen ist mein größtes Glück auf Erden.
    »Dein Kind? Rahel?« rief ich bestürzt. »Ist sie gestorben?«
    »Gestorben?« Ach, wenn sie doch lieber gestorben wäre! »Ich wollte Dank sagen Jehova Elohim, daß er mir wenigstens gelassen hätte ihr Grab, um darauf zu weinen meine Thränen und zu trösten das Weib, welches mir gegeben hat das einzig gute Kind! Warum bin ich doch nicht geblieben in Sokna, wo es giebt keine Räuber der Wüste und keinen Mörder unserer Töchter; warum bin ich doch gezogen nach Murzuk, um zu vermehren mein Vermögen durch den Handel mit der Kaffila (Karawane)! Du hast gekannt Rahel, die Tochter meines Herzens, das Kind meiner Seele und den Stolz meines Lebens. Sie war jung wie Sulamith, schön wie Bathseba und stolz wie Judith, die Heldin aus der Stadt Bethulia. Sie war das Licht meiner Augen, der Stern meiner Tage und die Sonne meines Daseins. Nun ist der Stern verlöscht und die Sonne untergegangen; ich werde mit Herzeleid zur Grube fahren, wie Jacob wollte um Joseph, den Verkauften!«
    Die Thränen rannen ihm während dieser ächt orientalischen Herzensergießung in schweren Tropfen in den grauen Bart. Er versuchte, sie zu trocknen, und fuhr fort:
    »Sie hat sich die schönen Augen bestrichen mit Khol und angelegt ihr goldgeschmücktes Gewand, um mit ihren Freundinnen lustzuwandeln vor dem Thore Ain el schemms (Sonnenquelle, östliches Thor). Da sind gekommen zwei gewaltige Reiter mit langen Flinten und scharfen Handschars (Dolchsäbel), haben sie gezogen auf das Pferd und sind gesprengt mit ihr davon, hinaus in die Wüste.«
    Ich wollte eben fragen, wann das geschehen sei, als einer der vorhin unsichtbaren Diener eintrat und, sich demüthig bis zur Erde neigend, meldete:
    »Es ist ein Mann im Hofe, der Dich zu sprechen verlangt, o Herr!«
    »Ich spreche nicht – ich rede nicht – ich will Niemand sehen. Sag, ich bin verreist – sag, ich bin todt, gestorben vor Gram und Herzeleid!«
    »Ich habe es ihm gesagt,« entgegnete der Manu, der seinen Herrn genau kannte; »aber er will reden von einem großen Geschäfte, bei welchem viele Beutel zu verdienen sind.«
    »Ein großes Geschäft – viele Beutel? Was hilft mir das Geschäft, und was sollen mir die Beutel, wenn fort ist Rahel, die einzige Erbin von mir! Wer ist der Mann?«
    »Ein Araber mit goldener Spange am Burnus und silberbeschlagenen Pistolen.«
    »Goldner Spange – silberbesch – –? Er mag kommen!«
    Der Klang des edlen Metalles hatte bei meinem Freunde wohl dieselbe Macht wie sein Schmerz. Nach einigen Augenblicken trat der Angemeldete in stolzer würdevoller Haltung herein.
    »Salem aaleïkum!« grüßte er, ohne den Kopf

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