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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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komme!«
    Er zog sich zurück und ich erhob mich, nicht ganz frei von einer erwartungsvollen Spannung, die sich während der kurzen Unterredung meiner bemächtigt hatte. Alt und häßlich war sie nicht, das wußte ich jetzt; ihr Name war Leïlet, d.h. Nacht, und da der Orientale den Namen gern den Eigenschaften anpaßt, so sah ich vor meiner lebhaften Einbildungskraft sofort eine jener mächtig-prächtig-nächtigen Erscheinung stehen, wie sie sich vorzugsweise gern im Morgenlande entwickeln. Auch die Wohnung war nicht ganz ungeeignet zu einem Tummelplatz für die Erfindungen der Phantasie. Vor einigen Monaten hatte ich sie bei der Reise nach dem Süden im Vorüberfahren liegen sehen und damals gehört, daß sie von einem verbannten Großen des Reiches erbaut worden sei und nun seit dem Tode desselben verlassen liege. Wie kam der jetzige Besitzer dazu, den einsamene Ort zu bewohnen? Hatten auch ihn politische Gründe hergeführt, oder gab es sonstige Geheimnisse, die er zu verbergen suchte?
    Ganz ungesucht traten diese Fragen an mich heran, und wenn ihre Beantwortung auch kein Interesse für mich haben konnte, so sah ich doch ebensowenig Veranlassung, sie gewaltsam von mir abzuwehren, und ging dem Kommenden mit etwas mehr als gewöhnlicher Theilnahme entgegen.
    In kurzer Zeit saßen wir bei den Ruderern im Kahne, ich in tiefe, wunderbare Gedanken versunken, Omar ernst und stolz, wie ein Pascha von drei Roßschweifen, im Gürtel die silberbeschlagenen Pistolen und den scharfen, glänzenden Dolch, in der Hand aber die unvermeidliche Nilpeitsche, das beste Mittel, sich unter der dortigen Bevölkerung Achtung und Berücksichtigung zu verschaffen. Zwar war die Hitze nicht angenehm, aber die stromabwärts gehende Bewegung unseres Fahrzeuges brachte uns mit einem kühlenden Luftzuge in Berührung, und bei der kurzen Dauer unserer Fahrt war dieselbe mehr eine Spaziertour, als eine Anstrengung zu nennen.
    Es ging eine Strecke weit an Durrha-, Tabak-, Sesam-und Sennesfeldern vorüber, aus deren Hintergrunde schlanke Palmen emporragten; dann folgten unbebaute Flächen, über welche sich ein niederes Gestrüpp von Mimosen und Sykomoren hinstreckte, endlich nacktes Gestein, und mitten aus den wohl schon seit Jahrtausenden hier umhergestreuten Felsenblöcken erhob sich die hohe quadratische Mauer, durch welche wir uns den Eingang suchen mußten.
    Als wir anlegten, bemerkte ich, daß ein Kanal aus dem Flusse unter der Mauer hinführte, jedenfalls um die Bewohner mit dem nöthigen Wasser zu versehen, ohne daß dieselben sich außerhalb ihrer Wohnung zu bemühen brauchten. Unser Führer schritt uns voran, führte uns um zwei Ecken zu der dem Wasser abgekehrten Seite und gab an dem dort befindlichen Thore ein Zeichen, auf welches uns bald geöffnet wurde.
    Das Gesicht eines Schwarzen grinste uns entgegen; doch beachteten wir seine bis zur Erde herabgehende Reverenz gar nicht und schritten vorwärts. Architektonische Schönheiten durfte ich von einem orientalischen Privatgebäude nicht erwarten, und so fühlte ich mich auch gar nicht überrascht über die kahle, nackte und fensterlose Fronte, welche das Haus mir zukehrte, aber das Klima des Landes hatte doch einen etwas zu auffälligen Einfluß auf das alte Gemäuer geäußert, als daß ich es zur Wohnung, eines jungen, schönen und dabei noch kranken Weibes hätte empfehlen mögen.
    Die Zierpflanzen, welche den schmalen Raum zwischen Mauer und Wohnhaus früher geschmückt und den Bewohnerinnen eine Erholung geboten hatten, waren längst verwelkt und verdorrt; wohin das Auge nur blickte, fand es nichts als leere, kahle Oede, und nur Schaaren von Schwalben, welche in den zahlreichen Rissen und Sprüngen des borstenden Gebäudes nisteten, brachten einigermaßen Leben und Bewegung in die traurige, todte Scene.
    Durch einen dunkeln, niedrigen Thorgang führte uns der voranschreitenden Bote in einen kleinen Hof, dessen Mitte ein Bassin einnahm. Also bis hierher führte der Kanal, welchen ich vorhin bemerkt hatte, und der Erbauer des einsamen Hauses war klugerweise vor allen Dingen darauf bedacht gewesen, sich und die Seinigen reichlich mit dem zu versorgen, was in dem heißen Klima jener Länderstriche das Nothwendigste und Unentbehrlichste ist. Zugleich bemerkte ich nun auch, daß der ganze Bau darauf gerichtet war, die jährlich wiederkehrenden Ueberschwemmungen schadlos aushalten zu können.
    In diesen Hof herab gingen mehrere hölzerne Gitterwerke, hinter denen jedenfalls die zum

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