Der Gitano. Abenteuererzählungen
brachte es mein Gegner dahin, daß der Wirth mich unter tausend Versicherungen seines Bedauerns von der Nothwendigkeit benachrichtigte, mir eine andere Wohnung zu suchen, da er meine jetzige von jetzt für sich selbst haben müsse.«
»Und Du folgtest der Weisung freiwillig?«
»Ich mußte wohl oder übel, da es mir nicht einfallen konnte, mich mit dem Manne herumzustreiten.«
»Und jetzt bewohnt er die Räume wirklich?«
»Das fällt ihm gar nicht ein; sie stehen noch leer, obgleich er sie vermiethen will.«
»Gut, ich werde zu ihm gehen und sehen, ob ich sie für mich bekomme.«
»Für Dich?« rief er überrascht. »Wahrhaftig, Du hast recht. Geh’ hin, geh’ hin, Bruderherz; Du giebst mir neues Leben! O, ich wußte wohl, daß Dein Kommen mir Trost und Ermuthigung bringen würde!«
»Da hat man den Sanguiniker! Erst vollständig hoffnungslos und jetzt in Folge dieses einen Wortes große Erwartungen hegend. Täusche Dich nicht, Bernhardt. Wir müssen uns berathen und werden allerdings wohl Nichts versäumen, was sich möglicher Weise thun läßt, aber waren Deine Anstrengungen vorher erfolglos, so dürfen wir nach so langer Zeit keine zu großen Ansprüche an das Glück oder den Zufall machen.«
»Ich weiß, ich weiß es! Aber Du darfst mir doch nicht verwehren, mich über Deine Gegenwart und Mithülfe zu freuen und dabei die Ansicht zu hegen, daß Zweien Etwas leichter wird, als Einem. Nur eine Spur, eine kleine, leise Spur verschaffe mir, und ich habe genug! Ich hole mir dann die Verschwundene, und wenn ich sie unter den Pyramiden hervorgraben sollte.«
Er war aufgesprungen. Die Hoffnung spannte jetzt seine Muskeln wieder, röthete seine Wangen und belebte seinen Blick. Ich konnte nicht anders, als mich darüber freuen, und ging daher auf seine glückliche Stimmung ein:
»Das scheint mir denn doch etwas zu anstrengend; aber wenn Du sie aus irgend einem Harem entführen willst, so bin ich mit dabei. Ich habe in solchen Sachen einige Uebung und auch das nöthige Glück.«
»Du?« fragte er lachend. »Mit welcher Zuleika bist Du denn dem Großtürken oder Padischa entwischt?«
»Zuleika? Pah, ein zu ordinairer Name für ein solches Abenteuer! Leïlet muß sie heißen, ja, und so heißt sie auch wirklich. Willst Du sie sehen?«
»Junge, entweder fängst Du an, Romane zu schreiben, oder Du hast sonst irgend einen Klapps, was bei der hiesigen Hitze sehr zu verzeihen wäre.«
»Selig sind, die nicht sehen und doch glauben, aber am allerseligsten sind, die nicht glauben und doch sehen. Du sollst zu den Allerseligsten gehören, d’rum ziehe Dein Feierkleid an, Du Ungläubiger, und mache Dich auf, denn siehe, Du sollst im Hotel d’Orient die Krone aller Schönheiten sehen, mit welcher sich vielleicht selbst Deine Warde nicht vergleichen kann!«
»Höre, mein Sohn, Du scheinst im Ernst zu sprechen!«
»Natürlich ist es mein Ernst.«
»Wirklich? Also auch Du bist verliebt? Du, diese Krankheit scheint in unserer Familie epidemisch zu werden: erst ich, jetzt auch Du! Komm und erzähle!«
»Nein, komm und stehe. Zum Erzählen ist es später ebenso Zeit, und übrigens bin ich fast schon allzulang fortgeblieben.«
»Wie Du befiehlst. Aber Eins sage ich Dir: wenn die Schönheit Deiner Zuleika –«
»Leïlet heißt sie!«
»Gut, Deiner Leïlet nur halb so groß ist wie meine Neugierde, so hat der ›Klapps‹ seine vollständige Berechtigung. Also,
en avant!
«
Wir brachen auf und wanden uns bald durch das farbenreiche Gewimmel der engen Straßen. Schon waren wir in der Nähe des Hotels, da faßte mich der Bruder plötzlich bei der Hand.
»Mein Gott, ist’s möglich? Bruderherz, es ist wahr, daß Dein Kommen mir Glück bringt. Blicke die beiden Männer an, welche soeben an uns vorüber müssen!«
Ich folgte der Richtung seines Auges und – wäre fast erschrocken, denn der Eine von den Beiden war kein Anderer, als – Abrahim-Arha, der Hedjahn-Bei. Also hatte ihn der Sabeth-Bei ganz so, wie ich gedacht, sofort nach meiner Abreise freigegeben, und er war mir gefolgt.
Auch er erblickte mich. Ein Blitz freudiger Genugthuung zuckte über sein Gesicht, doch faßte er sich schnell und schritt mit seinem Begleiter an uns vorüber. Das Mienenspiel des Ueberraschten war meinem Bruder nicht entgangen.
»Kennt Ihr einander?« fragte er fast athemlos.
»Sehr gut. Warum?«
»Warum? Mein Gott, erräthst Du denn aus meinen vorigen Worten nicht, wer die Beiden sind?«
»Sprich!«
»Der Levantiner mit dem Manne,
Weitere Kostenlose Bücher