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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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entführt hatte, tilgen. Doch Matsuda hatte mich gelehrt, niemals vorzustoßen, ohne meine Rückzugsmöglichkeiten zu kennen, und trotz aller Wut würde ich meine Männer nicht unnötig opfern.
    Die Nacht erschien mir wie die längste meines Lebens. Der Regen ließ ein wenig nach, und als der Tag anbrach, nieselte es nur noch, wodurch meine Laune sich besserte. Wir standen bei Dunkelheit auf und zogen los, sobald es hell wurde, entrollten die Otoribanner, ließen die Muschelhörner aber noch schweigen.
    Kurz vor dem Ausgang des Tals ließ ich anhalten, nahm Sakai mit mir und lief mit ihm im Schutz der Bäume bis an den Rand der Ebene. Sie erstreckte sich in mehreren leichten Wellen nach Südosten und war mit langen Gräsern und Wildblumen bedeckt, hie und da unterbrochen durch aufragende grauweiße Felsen in bizarren Formen. Viele waren mit gelben und orangefarbenen Flechten überwuchert.
    Der Boden unter unseren Füßen war vom Regen aufgeweicht und rutschig, Nebelschwaden bedeckten die Ebene. Man konnte kaum mehr als ein paar hundert Schritt weit sehen; dennoch konnte ich unseren Feind deutlich hören: das Wiehern der Pferde, die Rufe der Männer, das Knarren und Klirren der Geschirre.
    »Wie weit seid ihr gestern gekommen?«, flüsterte ich Sakai zu.
    »Nur bis zur ersten Anhöhe, sehr viel weiter nicht. Ihre Späher waren ebenfalls unterwegs.«
    »Sie wissen sicher, dass wir hier sind. Warum haben sie nicht längst schon angegriffen?« Ich hätte erwartet, dass sie uns am Eingang zum Tal auflauern würden; die Geräusche, die ich hörte, waren die einer Armee, die sich zum Kampf rüstete, keine, die vorhatte weiterzuziehen.
    »Vielleicht wollen sie den Vorteil des Gefälles nicht verspielen«, überlegte er.
    Es stimmte, dass die Ebene in unsere Richtung leicht abfiel, doch der Hang war nicht sehr steil und verschaffte ihnen daher keinen allzu großen Vorteil. Was mich viel mehr beunruhigte, war der Nebel, da es unmöglich war, genau zu erkennen, wie viele Männer uns gegenüberstanden. Ich kauerte schweigend eine Weile am Boden und horchte. Über dem Tropfen des Regens und dem Rauschen der Bäume konnte ich beide Armeen gleich laut hören… oder etwa doch nicht? Die Geräusche aus dem feindlichen Lager schienen anzuschwellen wie das Wogen des Meeres.
    »Und ihr habt höchstens fünfzehnhundert Männer gesehen?«
    »Eher zwölfhundert«, erwiderte Sakai. »Darauf würde ich wetten.«
    Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht lag es am Wetter, am Schlafmangel, an der Aufregung, dass ich mir zu viele Sorgen machte. Vielleicht spielte mein Gehör mir einen Streich. Dennoch rief ich, als wir zu den Truppen zurückgekehrt waren, Makoto und die Hauptmänner zu mir und teilte ihnen meine Befürchtung mit, dass die anderen hoffnungslos in der Überzahl sein könnten; in diesem Fall würden wir auf ein Signal des Muschelhorns sofort den Rückzug antreten.
    »Ziehen wir uns nach Maruyama zurück?«, fragte Makoto.
    Das war eine meiner Überlegungen gewesen, aber ich brauchte eine Alternative. Genau dies würde der Feind vorausahnen, und ich wusste ja nicht, ob die Schlossstadt bereits angegriffen worden war. Dann nämlich säße ich wirklich in der Falle. Ich nahm Makoto beiseite und sagte: »Wenn Arai ebenfalls gegen uns zieht, können wir uns dem Kampf nicht stellen. Dann ist unsere einzige Hoffnung, zur Küste zurückzuweichen und die Terada zu verständigen, damit sie uns nach Oshima bringen. Wenn wir den Rückzug beginnen, möchte ich, dass du vorausreitest und versuchst, Ryoma ausfindig zu machen. Er soll die Dinge mit Terada Fumio regeln.«
    »Sie werden glauben, dass ich der Erste war, der die Flucht ergriffen hat«, protestierte er. »Ich möchte lieber an deiner Seite bleiben.«
    »Es gibt niemand anderen, den ich schicken könnte. Du kennst Ryoma und den Weg dorthin. Außerdem werden wir wahrscheinlich alle auf der Flucht sein.«
    Er sah mich fragend an. »Hast du eine böse Vorahnung, was dieses Aufeinandertreffen angeht? Ist dies die Schlacht, die wir verlieren werden?«
    »Für den Fall, dass sie es ist, möchte ich meine Männer schützen«, entgegnete ich. »Ich habe schon so viel verloren, ich kann es mir nicht leisten, sie auch noch zu verlieren. Schließlich gibt es noch zwei Schlachten zu gewinnen!«
    Er lächelte; wir drückten uns kurz die Hand. Ich ritt zurück an die Spitze meiner Truppen und gab das Signal zum Aufbruch.
    Die berittenen Bogenschützen waren die Ersten, gefolgt vom Fußvolk, mit

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