Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Warlords oder Militärs sein kann, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel. Im Jahr 2007 exportierte die Demokratische Republik Kongo offiziell etwa 16 000 Tonnen des Zinnerzes Kasseritit sowie Coltan und Wolframit. Milizen kassieren an Straßensperren von jedem Transport pro Kilogramm Erz 0,2 Dollar Gebühren. Dadurch ergeben sich Einnahmen von mehr als drei Millionen Dollar, wobei die Dunkelziffer noch weit höher liegt, da ein Gutteil der Erzförderung der offiziellen Kontrolle entzogen ist. Alleine durch diese Maut auf Mineralientransporte können Rebellen oder Armee bis zu 30 Millionen Dollar einnehmen. Die Macht, die aus den Läufen der Gewehre kommt, zahlt sich im Kongo also direkt in barer Münze aus.
Die zweite Voraussetzung für Krieg und Unruhen ist die heterogene Zusammensetzung der Bevölkerung. Ethnologen zählen etwa 250 ethnische Gruppen in der Demokratischen Republik Kongo und beinahe ebenso viele Sprachen und Dialekte. Große Bedeutung erlangt die Identifikation mit einer ethnischen Gruppe vor allem in Konfliktsituationen, sei es auf individueller oder kollektiver Ebene. Geraten Einzelne in Not, dient die Gruppe als solidarische Absicherung. Prallen ganze Gruppen aufeinander, tragen Kämpfer den kriegerischen Konflikt aus. Die politische und kriegerische Ausnutzung der Stammeszugehörigkeiten erschwert im Zusammenspiel mit der ökonomischen Absicherung durch die Gewinne aus der Ausbeutung natürlicher Ressourcen die Befriedung des Kongos.
Die dritte Vorbedingung für die Misere des Landes liefert die Geografie. Das Kernland des Kongos ist immer noch von dichtem Regenwald bedeckt und infrastrukturell kaum erschlossen. Durch dieses grüne Becken beschreibt der Fluss Kongo eine weit von Süden nach Norden ausholende Linkskurve. Seine Mündung im Atlantik liegt nur wenige Grad nördlich der geografischen Breite seines Quellgebietes. Von Westen her zieht sich ein Band aus Hochplateaus über den Süden und Südosten bis in den Osten und Nordosten des Landes.
Kinshasa, Verwaltungszentrum und Hauptstadt, liegt ganz i m Westen. Das industrielle Kernland des Kongos befindet sich jedoch im Osten und Süden des Landes. Zugang zu den Regionen jenseits des Regenwaldbeckens bietet nur der Fluss oder der Luftverkehr. Die infrastrukturelle Zersplitterung des Landes, gepaart mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Grundlagen, hat seit der Unabhängigkeit zu zahlreichen Abspaltungsversuchen einzelner Regionen, zum Beispiel der Erzminenprovinz Katanga oder der Diamantenregion Kasai, geführt.
Die Vorstellung eines von einer Zentralregierung verwalteten und geordneten Staates trifft auf die Demokratische Republik Kongo nur bedingt zu. Ob sich Regeln und Entscheidungen durchsetzen, hängt stark von dem Willen lokaler Machthaber ab, seien es nun Armeeoffiziere, Gouverneure oder auch Rebellenführer. Immer wieder arbeiten staatliche Stellen auch gegeneinander, wie im Falle des Virunga-Nationalparks das Militär, das teilweise sogar gemeinsam mit Rebellen die Arbeit der Ranger der Naturschutzbehörde untergräbt.
Die politischen und militärischen Koalitionen reichen dabei über die Grenzen des Kongos hinaus, da die Nachbarstaaten Uganda, Burundi und allen voran Ruanda ihre eigenen Interessen in der Region vertreten und teilweise mithilfe von Rebellengruppen durchsetzen. Diese drei Faktoren sorgen für eine komplexe Gemengelage und erschweren eine Befriedung weiter Regionen des Landes. Hauptopfer sind die Zivilisten. Die Demokratische Republik Kongo ist das einzige Land der Welt, in dem sich die Lebensbedingungen für den Durchschnitt der Bevölkerung in den vergangenen Jahren zusehends drastisch verschlechtert haben. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines im Jahr 2011 geborenen Kongolesen liegt bei 48,4 Jahren. Zum Vergleich: Ein heute in Deutschland Geborener darf erwarten, im Schnitt 80,4 Jahre alt zu werden.
Die Kriege, die den auch als afrikanischer Weltkrieg bezeichneten Konflikt im Herzen Afrikas markieren, haben eine wesentliche Ursache im Nachbarland Ruanda. Dort hatten bereits die belgischen Kolonialherren die beiden vorherrschenden ethnischen Gruppen der Hutu und der Tutsi für ihre Zwecke benutzt. Die Tutsi, wohlhabende Viehbesitzer, stellten mit etwa 15 Prozent die elitäre Minderheit der Bevölkerung. Die Belgier stützten ihre Herrschaft über Ruanda auf das feudal organisierte System der Tutsi, an dessen Spitze ein König stand. Die Privilegierung der Herrscherkaste verschärfte den Konflikt mit den
Weitere Kostenlose Bücher