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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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Diese Zerschneidung von Populationen führt zu einer Beschleunigung der Evolution, denn jede isolierte Fischgruppe entwickelt sich ein klein wenig anders als die anderen. So können an einem Uferabschnitt die Lebensbedingungen geringfügig abweichen. Vielleicht ist das Wasser trüber als am gegenüberliegenden Ufer und fördert so die Entwicklung auffällig guter Augen. Oder an einer Stelle herrschen starke Strömungen, was die Ausbildung besonders kräftiger Brustflossen begünstigt. Solche über Generationen ablaufenden Veränderungen bündeln sich mit der Zeit zu gravierend unterschiedlichen Eigenschaften, sodass eine neue Art entsteht. Im Unterlauf des Kongos vollzieht sich dies besonders rasant. Die Evolution läuft hier wie ein gedopter Sprinter.

XV
    D ie Lebensumstände im Kongo führen zu merkwürdigen Lebensläufen. Eine dieser verschlungenen Biografien, die sich im Herzen Afrikas entwickeln, beginnt am 6. Februar 1967 in dem Ort Mutanda in der Region um die Stadt Rutshuru. An diesem Tag schreit zum ersten Mal ein Säugling und füllt seine Lunge mit Luft. Der Junge hört auf den Namen Laurent Nkundabatware Mihigo. An diesem Geburtstag ahnt noch niemand, auch nicht die Mutter, die den Säugling an ihre Brust drückt, welch atemberaubenden Lebensweg der neue Erdenbürger nehmen wird. Niemand ahnt, dass sein von ihm selbst auf Laurent Nkunda verkürzter Name um die Welt gehen wird.
    Die Jugend des Heranwachsenden liegt weitgehend im Dunkel. Er ist der Sohn eines Tutsi, einem Viehhirten aus Masisi. Schon als Junge arbeitet er auf den Kaffeeplantagen seiner Heimat. Wahrscheinlich muss er das wenige Geld, das ihm seine Arbeit einbringt, zu Hause abliefern, so wie das Millionen Kinder in Afrika tun. Nkunda geht zur Schule, er ist erfolgreich und macht einen Abschluss, der ihm den Zugang zur Universität eröffnet. Nkunda entscheidet sich für das Fach Psychologie. Er geht nach Kisangani, der Stadt an den Ufern des Kongos, die zur Kolonialzeit noch Stanleyville hieß. Seine Kommilitonen betrachten ihn als Banyarwanda. Dazu gehören im Kongo alle, die Kinyarwanda als Muttersprache haben. Auch alle, die mit dieser Sprache aufwachsen und aus Ruanda stammen, bezeichnen die Kongolosen als Banyarwanda, unabhängig davon, ob es sich um Hutu oder Tutsi handelt. Viele Kongolesen sehen die Banyarwanda als Fremde an, als Einwanderer, die den Kongo okkupieren.
    Irgendwann in seinem jungen Leben wird auch Nkunda erfahren haben, wie sehr solche Stigmatisierungen von Grup pen die Einstellungen und das Verhalten anderer Menschen beeinflussen. Vielleicht hat ihm sein Vater bereits davon erzählt, dass Tutsi gut, wohlhabend und gebildet sind und Hutu schmutzig, faul und arm. Vielleicht stellt er auch fest, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft Erleichterungen bringen kann, das Gefühl der Verbundenheit und praktische Unterstützung bei Alltagsfragen wie Wohnungssuche, Lernen oder dem Lebensunterhalt an sich. Jedenfalls wechselt er den Studienort, zieht aus der Demokratischen Republik Kongo ins benachbarte Ruanda, nach Mudende, und beendet dort schließlich sein Studium. Er geht in die Heimatstadt seines Vaters, um als Lehrer zu arbeiten. Bis hierhin macht er eine für afrikanische Verhältnisse glänzende und achtbare Karriere.
    Doch die unüberschaubaren Kriegswirren im Herzen des Kontinents greifen auch nach Nkunda. 1992 schließt er sich der Rwandan Patriotic Army (RPA) an, einer militärischen Organisation, in der unter anderem zahlreiche Banyarwanda gegen die amtierende, von Hutu beherrschte Regierung Ruandas kämpfen. Nkunda erhält eine Ausbildung zum Nachrich tenoffizier und soll Informationen über den Feind, namentlich die reguläre ruandische Armee, sammeln. Nkunda kämpft in der RPA an der Seite des heutigen ruandischen Regierungschefs Paul Kagame gegen die Hutu, die auch den Völkermord in Ruanda begehen werden. Nachdem die Tutsi-Truppen Kigali eingenommen haben, verlässt er die Armee im Range eines Unteroffiziers und kehrt in den Kongo zurück. Er schließt sich Laurent-Désiré Kabila an, der sich mit seiner militärischen Allianz anschickt, den Diktator Mobutu zu stürzen.
    Nachdem sich Kabila zum Präsidenten des Kongos gemacht hat, werden seine Truppen zur regulären Armee des Landes. In der Congolese National Army (ANC) ist auch Nkunda aufgestiegen und hat sich schließlich den Rang eines Generals gesichert. Der hoch aufgeschossene, schlanke Mann ist ein Meister der Manipulation. Er betrachtet

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