Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
sein Gegenüber durch schmale Brillengläser und reißt seine Augen beschwörend weit auf, wenn er redet. Gestikuliert er, dann tut er das mit ausholenden, langsamen Armbewegungen oder mit spitzen Fingern, so als ob er den gerade darzulegenden Punkt aufspießen wolle. Nkunda kennt die Macht von Worten und wählt sie mit Bedacht. Und er kennt die Wirkung von Pausen. Immer wieder stoppt er den Fluss seiner Rede und lässt Raum für einen Nachhall in seinen Zuhörern.
Er selbst bezeichnet sich als Priester einer Pfingstkirche, der seinen Männern und der Bevölkerung sonntäglich predigt. In Afrika nimmt die neuzeitliche Pfingstbewegung, die das Wirken des Heiligen Geistes als einen zentralen Glaubensbaustein sowie die Individualverantwortung des Einzelnen vor Gott vertritt, verschiedene Sonderformen an. Unter anderem steht sie hier für die Veränderung einer ungerechten Verteilung materieller Güter und sieht gleichzeitig den persönlichen ökonomischen Erfolg durchaus als Gottgefälligkeit an. Diese Sichtweise öffnet einer individuellen Inter pretation christlicher Glaubenssätze und einem Zurecht biegen der christlichen Moral nach eigenem Gusto, wie das sowieso schon häufig gemacht wird, noch mehr Tür und Tor.
Anfang 2002 kommandiert Nkunda eine Truppe, die in Kisangani stationiert ist. Dort kommt es am 14. Mai zu Ausschreitungen, als einige Soldaten die örtliche Radiostation besetzen und das kongolesische Volk dazu aufrufen, sich gegen alle Ruander zu erheben. Diese Radiosendung kostet einige Banyarwanda das Leben. Aufgewiegelte Soldaten rekrutieren Polizisten und Jugendgangs und streifen durch die Stadt. Es gelingt anderen Offizieren jedoch nach wenigen Stunden, die Radiostation zurückzuerobern. Der befehlshabende Offizier erteilt im Rundfunk die Order, dass alle nach Hause gehen sollen. Schnell werden die Verantwortlichen des Aufruhrs ausgemacht und festgenommen.
Nkunda hält sich zu dieser Zeit in Ruanda zu einem militärischen Training auf, begibt sich aber sofort nach Goma, um zu seiner Truppe zu gelangen. Noch am selben Tag landet in Kisangani eine Maschine aus Goma mit zwei Passagieren an Bord. Es sind General Laurent Nkunda und General Gabriel Amisi Kumba, genannt Tango Four. Sie warten auf vier weitere Flugzeuge, die Verstärkung bringen. Schließlich landen an diesem Tag 216 schwer bewaffnete Männer in Kisangani. Diese rücken aus. Unter dem Befehl ihrer Offiziere begehen sie Vergewaltigungen, Plünderungen und erschießen Menschen, teilweise nur, weil sie nicht gegrüßt haben. Wer verdächtig ist, an dem Aufruhr teilgenommen zu haben, ist des Todes.
Schüsse hallen durch die Straßen. Menschen schreien vor Angst, Schmerz oder Wut. Soldaten reißen Fahrräder an sich, rauben Geld und Wertsachen. Sie schnappen sich Frauen, die ihre Beute tragen müssen, und fallen über diese her, sobald sie ihr Raubgut in Sicherheit gebracht haben, sei es in einem Versteck oder in ihrem Posten. Sie werfen ihre Körper über die vor Angst zitternden Leiber und vergewaltigen sie.
An der Tshopobrücke beaufsichtigen General Nkunda, General Amisi und Oberst Buyamungu die Errichtung einer Sperre. In der Nacht werden hier diejenigen erschossen, die ihre Truppen gefangen genommen haben. Die Leichen stoßen sie in den Fluss. Vorher schlitzen sie die Bäuche auf und füllen Steine in die Körper. An der Oberfläche treibende Tote sollen nicht von dem Massaker künden, das sie in dieser Nacht anrichten. Andere Leichen sind in Plastik gehüllt, wieder anderen hat man den Kopf abgehackt.
An der Tshopobrücke sollen auch die Spuren anderer Verbrechen getilgt werden. Daher bringen Soldaten von überall Tote, die sie hier in den Fluss werfen. Wer wen getötet hat, ist an dieser Brücke längst egal. Sicher sind unter den Opfern auch Menschen, die, nach Geld oder Wertgegenständen gefragt, einfach nichts vorzuweisen hatten und die nur deshalb erschossen worden sind. Bestimmt findet sich auch der eine oder andere Mann, der es einfach nicht ertragen konnte, dass sich die Soldaten über seine Frau oder Tochter hermachten, der vergaß, dass es sein sicherer Tod wäre, wenn er sich wehrte und seine Lieben anschließend doch vergewaltigt werden würden. Auch am folgenden Tag ebbt die Gewalt nicht ab. Verhaftete müssen ihr eigenes Grab ausheben, sich anschließend in die Schlammkuhle knien und werden dann brutal erschlagen.
Wie viele Menschen hier insgesamt sterben, ist, wie so oft im Kongo, nicht genau zu ermitteln, aber es
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