Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
behaupten, über alle Geschehnisse im Osten des Kongos Bescheid zu wissen. Etliche Zusammenhänge sind jedoch schmerzhaft trivial.
Mao Tse-tungs Regel, dass die Macht aus den Läufen der Gewehre kommt, trifft nirgends besser zu als im Herzen Afrikas. Gewehre kauft man mit Geld oder anderem, das einen Wert besitzt. Im Kongo sind das vor allem Bodenschätze, deren Preise zwar schwanken, die aufgrund der nahezu unaufhörlich nach Wachstum strebenden Weltwirtschaft auf Dauer aber gute Geschäfte garantieren.
Auch Nkunda besetzt mineralreiche Territorien, vor allem um die Städte Walikale und Numbi herum. Dort wird unter anderem Kassiterit gewonnen, dessen Zinn auf dem Weltmarkt heiß begehrt ist. Hier fördern auch zahllose Minenarbeiter Coltan aus den schlammigen Löchern, die sie ins Erdreich graben. Den Absatz der Erze organisiert Nkunda mit ruandischer Hilfe. In der Region um die Stadt Masisi beutet er die Pyrochlorvorkommen aus. Das Mineral ist wegen des enthaltenen Niobs unter anderem in der Raumfahrtindustrie gefragt, weil es Metalllegierungen besondere Haltbarkeit und Korrosionsbeständigkeit verleiht.
Waffen bezieht Nkunda aus Ruanda, dessen Regierung weiter von den Mineralien des Kongos profitieren will. Seine Männer rekrutiert er unter anderem mit Gewalt. Kinder werden mit Versprechungen gelockt. Manchmal reicht schon ein erbeutetes Handy als Köder. Der Rebellengeneral ist zeitweise in der Lage, seinen Kämpfern 100 Dollar als monatlichen Sold zu zahlen. Das liegt an den guten Geschäften mit Rohstoffen, an den Abgaben, die er von der Bevölkerung seines Machtbereiches erpresst, und an der Unterstützung von wohlhabenden oder mächtigen Freunden wie dem Gouverneur der Provinz Nord-Kivu, dem nachgesagt wird, er habe Nkunda mehrfach viel Geld gegeben. Die Soldaten der kongolesischen Arme hingegen erhalten gerade mal 20 Dollar im Monat.
Die Begleitmusik zu Krieg und Verbrechen komponieren Demagogen aller Art aus immer neuen Vorwürfen des Völkermords. In einer Region, in der die massenhafte Auslöschung von Volksgruppen nicht nur Geschichte, sondern erlebte Realität ist, genügen manchmal nur die Gerüchte über Gewalttätigkeiten, um eine Eskalation herbeizuführen, gegenseitige Racheakte zu rechtfertigen und um Tausende Zivilisten zur Flucht zu veranlassen.
Wie ein Feldherr im Dreißigjährigen Krieg nutzt Nkunda die Macht der Propaganda und schickt seinen Truppen die Nachricht ungeheuerlicher Gräuel voraus. Er beutet Landstriche, die seine Truppen besetzen, rücksichtslos aus. Weicht zurück, wenn seine militärische Macht nicht ausreicht, einem Angriff standzuhalten, attackiert, wann immer er die Chance für einen Sieg wittert. Er taktiert, verhandelt mit den UN, der kongolesischen Regierung und steht im Kontakt mit den ruandischen Machthabern.
Nebenbei verwaltet er seine drei Farmen mit etwa 800 Rin dern und der angeschlossenen Käseproduktion, besucht seine Frau und seine sechs Kinder in Goma. Das alles tut er weitgehend unbehelligt von den Blauhelmtruppen und teilweise auch vom kongolesischen Militär. Die Grausamkeiten, die Menschen ihren Mitmenschen im Kongo antun und angetan haben, machen beinahe sprachlos, dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Vergleichbares auf allen Kontinenten – von Europa, über Asien, Ozeanien bis nach Amerika – gegeben hat und gibt.
Wer nach der Wurzel dieses Übels sucht, muss sich bis in die molekularen Tiefen des Gehirns vorwagen. Dort fanden die amerikanischen Neurologen Lasana Harris und Susan Fiska eine biologische Basis, die es Menschen ermöglicht, so grausam zu sein. Dazu zeigten die Forscher ganz gewöhnlichen Studenten Fotos von Obdachlosen, Drogensüchtigen, Studenten, Menschen mit Behinderungen, Managern und er kennbar Wohlhabenden. Anschließend sollten sich die Testteilnehmer einen Tag im Leben dieser Personen vorstellen. Dann wurden die Gehirne der Probanden in einem Magnetresonanztomografen beobachtet, während noch einmal die Fotos gezeigt wurden. Zur Ablenkung wurde den Versuchsteilnehmern eine Aufgabe gestellt, die mit dem eigentlichen Test nichts zu tun hatte. Sie sollten schätzen, ob der jeweils Gezeigte Gemüse mag oder älter als 35 Jahre ist. Harris und Fiska kamen zu folgendem Ergebnis: Die Gehirnzentren, die üblicherweise aktiv sind, wenn wir uns in einen anderen Menschen hineinversetzen und Mitgefühl entwickeln, schlie fen, wenn ein Obdachloser oder ein Drogenabhängiger gezeigt wurde. Bei allen anderen feuerten die
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