Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
ersucht, dort wohnen bleiben zu können, und die Erlaubnis wurde mir von ihm erteilt.«
»Sind Sie nicht nach England gereist, und hat Ihnen der englische Staat keine Besoldung zuerkannt?«
»Ich war nie in England, der englische Staat besoldet mich, und ich habe keinerlei andere Einnahmequellen.«
»Unterhalten Sie Beziehungen zu den französischen Prinzen, die sich nach London zurückgezogen haben, und haben Sie sie in letzter Zeit gesehen?«
»Selbstverständlich stehe ich in Briefwechsel mit meinem Vater und meinem Großvater, die ich aber, soweit ich mich erinnern kann, seit 1794 oder 1795 nicht mehr gesehen habe.«
»Welchen Rang haben Sie in der Armee Condé bekleidet?«
»Kommandant der Vorhut; vor 1796 habe ich im Generalstab meines Großvaters als Freiwilliger gedient.«
»Kennen Sie General Pichegru?«
»Ich glaube, dass ich ihn nie gesehen habe; ich hatte nie mit ihm zu tun; ich weiß, dass er mich kennenlernen wollte, und ich muss mir gratulieren, ihn nicht gekannt zu haben, wenn ich bedenke, welch niedriger Mittel er sich bedient haben soll.«
»Kennen Sie General Dumouriez, und haben Sie Beziehungen zu ihm unterhalten?«
»Nicht im Geringsten, ich habe ihn nie gesehen.«
»Haben Sie seit dem Friedensschluss keinerlei Briefwechsel in die Republik unterhalten?«
»Ich habe verschiedenen Freunden geschrieben, doch es handelt sich um Briefe, die der Regierung keine Sorgen bereiten dürften.«
Hauptmann d’Autancourt beendete das Verhör, und das Protokoll wurde von ihm unterzeichnet, von Leutnant Jacquin, von Leutnant Noirot, den zwei Gendarmen und dem Herzog von Enghien.
Doch bevor er unterzeichnete, schrieb der Herzog die folgenden Zeilen:
Bevor ich das Protokoll dieses Verhörs unterzeichne, bitte ich eindringlich um eine persönliche Audienz bei dem Ersten Konsul. Mein Name, meine Stellung, meine Denkweise und das Entsetzliche meiner Lage flößen mir die Hoffnung ein, dass er sein Ohr meiner Bitte nicht verschließen wird.
LOUIS-A.-H. DE BOURBON
Unterdessen hatte Bonaparte sich nach La Malmaison zurückgezogen und hatte angeordnet, dass er unter keinen Umständen gestört werden wolle. La Malmaison war seine Zuflucht, wenn er mit seinen Gedanken allein und ungestört sein wollte.
Madame Bonaparte, die junge Königin Hortense und der ganze weibliche Hofstaat waren verzweifelt. Die Sympathien dieser Damen waren durch und durch royalistisch. Mehrmals hatte Joséphine Bonapartes schlechter Laune die Stirn geboten und sich bis zu ihm vorgewagt, um die Frage anzusprechen. Bonaparte jedoch hatte ihr mit gespielter Schroffheit erwidert: »Geben Sie Ruhe und lassen Sie mich in Frieden; Frauen verstehen nichts von der Politik.«
Er wiederum war an diesem Abend des 20. März zerstreut, tat so, als wäre er ruhig, wanderte mit großen Schritten auf und ab, wie es seine Gewohnheit war, die Hände hinter dem Rücken, den Kopf gesenkt. Zuletzt
setzte er sich an einen Tisch, auf dem ein Schachspiel aufgebaut war, und sagte laut: »Nun, meine Damen, welche von Ihnen spielt mit mir?«
Madame de Rémusat erhob sich, trat zu ihm und setzte sich, doch nach wenigen Minuten warf er die Schachfiguren um und verließ den Raum, ohne sich bei ihr zu entschuldigen.
Um sich dieser Sache zu entledigen, hatte Bonaparte sie, wie wir gesehen haben, Murat zu dessen größter Verzweiflung übertragen.
Unterdessen war der Herzog nach erfolgtem Verhör vor Erschöpfung sogleich eingeschlafen. Doch es war kaum eine Stunde vergangen, als man wieder in sein Zimmer kam.
Man weckte ihn, forderte ihn auf, sich anzukleiden und in den Gerichtssaal hinunterzukommen.
Der Vorsitzende des Gerichts, General Hulin, hatte eine ungewöhnliche militärische Laufbahn hinter sich. Er war Schweizer, 1758 in Genf geboren, und wie alle Genfer zum Uhrmacher ausgebildet. Der Marquis von Conflans, von seiner Körpergröße und seinem hübschen Gesicht eingenommen, hatte ihn zu seinem Leibjäger gemacht. Als bei der Erstürmung der Bastille die ersten Schüsse fielen, war er in seinem prachtvollen bestickten Anzug herbeigelaufen, und man hatte ihn für einen General gehalten. Er hatte diesen Irrtum nicht korrigiert, hatte sich an die Spitze eines Pelotons besonders Mutiger gestellt und war als einer der Ersten in den Hof des königlichen Kerkers eingezogen. Seitdem trug er den Titel eines Obersten, den ihm niemand streitig machte, und vor Kurzem erst hatte er sein Generalspatent erhalten. Der Mut, den er bezeigt hatte, war umso
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