Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
niemand, das Wort an ihn zu richten, und alle führen sich auf wie die reinsten Leichenbitter. Hier habe ich die Haare und einen Goldring des armen Prinzen mit der Bitte, sie jemandem zu senden, der ihm teuer war. Der Leutnant, dem er sie gab, hat sie Savary anvertraut, und Savary gab sie mir. Savary sprach mit Tränen in den Augen von den letzten Worten des Herzogs, und er schämte sich nicht zu weinen, als er zu mir sagte: ›Ach, Madame, einen solchen Menschen kann man nicht sterben sehen, ohne ergriffen zu sein.‹«
Monsieur de Chateaubriand, der noch nicht zu seinem Botschafterposten in der Republik Wallis aufgebrochen war, ging durch den Tuileriengarten, als er einen Mann und eine Frau eine amtliche Bekanntmachung verkünden hörte: »Mit Beschluss der in Vincennes zusammengetretenen Militärkommission wird Louis-Antoine-Henri de Bourbon, Herzog von Enghien, geboren am 2. August 1772 in Chantilly, zum Tode verurteilt.«
Dieser Ruf traf ihn wie ein Blitzschlag; einen Augenblick lang verharrten er und die anderen Passanten wie versteinert.
Er ging nach Hause, setzte sich an einen Tisch, schrieb sein Entlassungsgesuch und schickte es noch am selben Tag an Bonaparte.
Dieser erkannte Chateaubriands Handschrift auf dem Briefumschlag und drehte und wendete den ungeöffneten Brief hin und her.
Schließlich erbrach er das Siegel, las den Brief und warf ihn zornentbrannt auf den Tisch. »Umso besser!«, sagte er. »Dieser Mann und ich hätten uns nie verstanden; er ist nichts als Vergangenheit, ich aber bin die Zukunft.«
Madame Bonaparte hatte sich zu Recht Sorgen über die Auswirkungen der Nachricht vom Tod des Herzogs gemacht. In ganz Paris war die Antwort auf die Bekanntmachung durch die Ausrufer deutlich missbilligendes Gemurmel. Niemand sprach von einer Hinrichtung; jedermann sprach von der Ermordung des Herzogs. Niemand glaubte an irgendeine Schuld des Herzogs, und es kam zu regelrechten Pilgerzügen zu dem Festungsgraben.
Die Grube, in welcher der Tote verscharrt worden war, hatte man sorgsam mit Rasen bedeckt, um sie dem Erdboden ringsum anzugleichen, und niemand hätte das Grab des bedauernswerten jungen Mannes ausfindig machen können, wäre nicht ein Hund gewesen, der sich nicht von der Stelle rührte. Die Pilger hielten den Blick auf das Rasenstück gerichtet, bis ihre Tränen es verschleierten, und dann riefen sie leise: »Fidèle! Fidèle! Fidèle!«, worauf das arme Tier mit langem, traurigem Geheul antwortete.
Eines Morgens suchte man vergebens nach Fidèle; für jene, die mit den Augen des Herzens hinsahen, war die Stelle noch zu erkennen; Fidèle aber hatte die Polizei beunruhigt, und deshalb war er verschwunden.
42
Selbstmord
Pichegru, zu dem wir nun zurückkehren, hatte zu Anfang alles abgestritten; doch nachdem Moreaus Kammerdiener ihn als denjenigen wiedererkannt hatte, der seinem Herrn geheimnisumwitterte Besuche abstattete und mit Respekt begrüßt wurde – anders gesagt, entblößten Hauptes -, gab er das Leugnen auf und teilte das Schicksal Cadoudals.
Im Temple-Gefängnis wurde Pichegru eine Zelle im Erdgeschoss zugewiesen. Sein Bett stand mit der Kopfseite zum Fenster, so dass er die Fensterbank als Nachtschränkchen benutzen konnte und das Licht auf ihr
abstellte, wenn er im Bett las; draußen vor dem Fenster war eine Wache postiert, die alles beobachten konnte, was sich in der Zelle abspielte.
Nur ein kleines Vorzimmer trennte Georges und Pichegru. Abends wurde ein Gendarm in dieses Vorzimmer eingeschlossen, und der Schlüssel wurde dem Concierge übergeben. Der Gendarm konnte durch das Fenster um Hilfe oder nach Verstärkung rufen. Die Wache am Hoftor hätte seine Botschaft dann an den nächsten Wachposten weitergegeben, und dieser hätte den Concierge verständigt.
Eine Zeit lang waren in Pichegrus Zelle zwei weitere Gendarmen postiert, die ihn keine Sekunde aus den Augen ließen. Zudem trennte seine Zelle nur eine Scheidewand von der Zelle Bouvets de Lozier, der versucht hatte, sich zu erhängen. Und drei oder vier Schritte entfernt lag an dem Flur zur Rechten Georges Cadoudals Zelle, die Tag und Nacht geöffnet war und in der zwei Gendarmen und ein Brigadier ein Auge auf den Gefangenen hatten.
Im Anschluss an Monsieur Réals Unterhaltung mit Pichegru verlangte Letzterer, dass die zwei Gendarmen, durch die er sich entsetzlich gestört fühlte, aus seiner Zelle entfernt würden.
Das Begehren wurde Bonaparte unterbreitet, der die Achseln zuckte. »Warum soll man den
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