Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
Zeit fand, Pichegru einen zweiten Besuch abzustatten.
Daraufhin fasste dieser offenbar den Entschluss, sich das Leben zu nehmen. Zuerst beklagte er sich über die Kälte; da es in seinem Zimmer einen Kamin gab, machte man Feuer. Zu diesem Zweck brachte man ein Bündel Reisig, damit das Feuer wieder entzündet werden konnte, wenn es erstarb.
Am übernächsten Tag fand die Wache, die morgens das Zimmer des Generals betrat, diesen reglos und still auf seinem Bett vor.
Sie rief seinen Namen – er war tot!
Eine Stunde nach dieser grausigen Entdeckung, gegen acht Uhr morgens, erhielt Savary, der im Tuilerienpalast wachhabender Offizier war, eine Nachricht des Offiziers der Elitegendarmerie, der an diesem Tag die Wachposten im Temple-Gefängnis befehligte. Die Nachricht besagte, General Pichegru sei tot in seinem Bett aufgefunden worden und man benötige ein Mitglied der Polizei, das den Sachverhalt bezeugte. Savary ließ die Nachricht sofort an den Ersten Konsul weiterleiten, und dieser ließ Savary rufen, da er dachte, jener wisse mehr. Als er sah, dass es sich nicht so verhielt, befahl er: »Informieren Sie sich unverzüglich. Zum Teufel! Das ist mir ein schöner Tod für den Eroberer Hollands!«
Savary verlor keine Sekunde, eilte zum Temple und kam gleichzeitig
mit Monsieur Réal dort an, den der Oberrichter geschickt hatte, damit er ihm alle Einzelheiten berichtete.
Noch hatte niemand den Raum betreten, in dem die Wache den Toten gefunden hatte. Monsieur Réal und Savary wurden an das Bett des Toten geführt und erkannten ihn, obwohl sein Gesicht durch den Erstickungstod stark gerötet war.
Der General lag auf der rechten Seite und hatte seine Krawatte wie ein Seil um den Hals geschlungen; daran hatte er sich erhängt, indem er diesen Strang so eng wie möglich zusammengezogen hatte und dann ein Stöckchen von fünfzehn Zentimetern Länge aus dem Reisigbündel, dessen Überreste im Zimmer und im Kamin lagen, hineingesteckt und als Hebel benutzt hatte, mit dem er die Schlinge so lange zusammenschnürte, bis sein Geist sich zu trüben begann; dann hatte er den Kopf auf das Kissen sinken lassen, und unter dem Gewicht seines Halses hatte das Stöckchen die Krawatte daran gehindert, sich zu lockern. Der Atemstillstand hatte nicht auf sich warten lassen, und noch im letzten Moment hatte Pichegrus Hand das Stöckchen zu halten versucht.
Hinter ihm lag auf der Fensterbank ein aufgeschlagenes Buch, als hätte er in seiner Lektüre nur kurz innegehalten. Es war der Band Seneca, den Monsieur Réal ihm besorgt hatte; geöffnet war das Buch an der Stelle, an der Seneca schreibt: »Wer sich verschwören will, darf vor allem keine Angst vor dem Sterben haben.«
Wahrscheinlich war diese Stelle Pichegrus letzte Lektüre gewesen; seit über den Tod des Herzogs von Enghien gemunkelt wurde, hatte Pichegru angenommen, dass für ihn nur mehr die Aussicht bestand, sich entweder der Gnade des Ersten Konsuls anzuempfehlen oder zu sterben.
Auf der Stelle wurden alle verhört, die über diesen unerwarteten und befremdlichen Tod etwas sagen konnten, denn Savary dachte sich sofort, dass man diesen Tod Bonaparte anlasten würde.
Zuerst vernahm er den Gendarmen, der die Nacht in dem Vorzimmer verbracht hatte, das Georges von Pichegru trennte; dieser hatte nichts gehört bis auf einen hartnäckigen Hustenanfall des Generals gegen ein Uhr morgens, und da er nicht zu ihm gelangen konnte, nachdem er selbst eingeschlossen war, hatte er dieses Hustens wegen nicht das ganze Gefängnis wecken wollen. Daraufhin wurde der Gendarm verhört, der vor dem Fenster postiert war und alles sehen konnte, was in Pichegrus Zimmer vor sich ging; er hatte nichts bemerkt.
Monsieur Réal verzweifelte. »Dass es ein Selbstmord war, steht außer
jeder Frage«, sagte er, »doch wir können tun, was wir wollen, es wird immer behauptet werden, der Gefangene wäre erdrosselt worden, weil man nichts gegen ihn in der Hand hatte.«
Und dies wurde in der Tat gemunkelt, wenn auch zu Unrecht. Diese Gerüchte waren für das Verfahren gegen Moreau von großem Nachteil.
In Wahrheit hatte Bonaparte keinerlei Grund, Pichegru etwas anzutun, denn ganz im Gegenteil hatte der Erste Konsul Pläne mit einem lebenden Pichegru, die seiner eigenen Beliebtheit nützen sollten. Indem Bonaparte nicht allein seinen ehemaligen Lehrer begnadigte, sondern ihn überdies in ehrenvollem Auftrag nach Cayenne schickte, konnte er den negativen Folgen einer Verurteilung Moreaus entgegenwirken. Und
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