Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
der Hoffnung, dort frischere Nachtluft zu atmen. Tatsächlich schien vom Boden die erste morgendliche Kühle aufzusteigen, während das weißliche Leuchten, das die Nacht erhellte, schwand und einem grauen Nebel wich. Im selben Augenblick war ihm, als höre er, wie die Tür von Janes Zimmer geöffnet wurde, und schon wollte er seine eigene Tür öffnen und hinübereilen, um zu sehen, ob Jane wohlauf sei, als er sich eines Besseren besann und in seinem Zimmer blieb, um nicht den Eindruck zu erwecken, er spioniere hinter ihr her. Da er keine weiteren Geräusche vernahm, trat er wieder an sein Fenster;
unterdessen war es draußen noch nebliger geworden, doch das hinderte ihn nicht daran, Jane zu erkennen, die in ihrem Morgenmantel das Haus verließ und sich zögerlichen Schritts der Wiese näherte, als gehe sie barfuß. Sein erster Gedanke war, dass Jane in einem Anfall von Somnambulismus handelte, ohne zu wissen, was sie tat, doch diesen Gedanken verwarf er bald. Jane ging keineswegs mit den steifen, feierlichen und gespenstischen Schritten einer Schlafwandlerin, sondern setzte ängstlich einen Fuß vor den anderen und zuckte zusammen, wenn sie auf einen spitzen Stein trat; außerdem hob sie einmal den Kopf und blickte schnell zu Renés Fenster hinauf, doch er konnte sich rechtzeitig verbergen, so dass sie ihn nicht sah.
Indem sie allein und so leicht bekleidet das Haus verließ, tat Jane nicht nur etwas Ungewohntes, sondern auch etwas Unbedachtes: Der Geruch der vielen Braten für das Hochzeitsbankett hatte möglicherweise wilde Tiere angelockt, die sich in einem Busch oder im hohen Gras versteckten und das junge Mädchen jederzeit anfallen konnten.
René streckte die Hand aus, tastete im Dunkeln nach seinem geladenen Gewehr und trat wieder zum Fenster.
Nun hatte er den Eindruck, als nähere sich Jane eine schwarze Masse, deren Form er nicht erkennen konnte, weil sie sich in der Dunkelheit verlor. Jane schien sich nicht vor ihr zu fürchten, sondern ihr im Gegenteil zu bedeuten, zu ihr zu treten. War es ein Mann? Eine Frau? René hätte es nicht zu sagen vermocht, doch dann hörte er Jane einen klagenden, durchdringenden Schrei ausstoßen; sie ließ sich auf ein Knie sinken und wälzte sich dann am Boden wie unter heftigen Schmerzen. Als René sah, dass der schwarze Schatten in den nahen Waldrand zu verschwinden versuchte, zweifelte er nicht länger daran, dass Jane ein Leid angetan worden war, und er legte an und feuerte.
Ein zweiter Schrei erklang, nicht weniger klagend und durchdringend als der erste, und der Meuchelmörder, ob Mann oder Frau, wälzte sich am Boden und blieb nach einigen heftigen Zuckungen tot liegen.
René warf sein Gewehr in das Zimmer, eilte die Treppe hinunter, sah, dass Jane alle Türen hatte offen stehen lassen, lief zu dem jungen Mädchen, das er auf dem Rasen liegen sah, hob es hoch und trug es ins Haus.
Der Schuss hatte alle geweckt; sie hatten ihn für das Signal eines nächtlichen Überfalls gehalten und eilten nun herbei, die erstbeste Waffe in der Hand. Justin war als Erster zur Tür gelangt, gefolgt von einigen Sklaven, die Fackeln trugen.
René hielt Jane in den Armen und trug sie ins Haus, ohne die Schlange zu beachten, die Jane gebissen hatte und noch von ihrem Fuß hing.
»Die Schachbrettschlange!«, rief Justin, der das Reptil mit beiden Händen ergriff und seinen Kopf an der Wand zerschmetterte. »Die Wunde muss sofort ausgesaugt werden!«
»Ich werde mich um sie kümmern«, sagte René, der Jane in ihr Zimmer trug, »suchen Sie nach einem Gegenmittel; die Neger kennen oft Geheimmittel gegen das Schlangengift.«
»Er hat recht«, sagte Justin. »Reitet los, sucht überall nach der alten Hexe und bringt sie her, tot oder lebendig!«
Unterdessen hatte René Jane in ihr Zimmer gebracht und auf ihr Bett gelegt; an ihrem Fuß, der so weiß und kalt war wie Marmor, sah er zwei Wunden, klein wie Nadelstiche, aus denen winzige Blutstropfen gedrungen waren, und er begann wie ein Schlangenbeschwörer des Altertums das Blut aus der Wunde zu saugen.
Unterdessen machte sich Ratlosigkeit um Janes Bett herum breit; die Leidende lag mit geschlossenen Augen da, die Hände über der Brust gekreuzt, als wäre sie bereits tot; doch René spürte am Zittern und Zucken des Fußes unter seinen Lippen, dass Jane entsetzliche Schmerzen litt. Nach und nach hatten sich alle Bewohner des Hauses in Janes Zimmer eingefunden, und als René erschöpft den Blick hob, sah er in der ersten Reihe
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