Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
Hélène stehen, blasser als die Sterbende, auf Sir James gestützt, der ebenso bleich war wie sie.
»Sir James«, sagte René, »seien Sie so gut und holen Sie unverzüglich aus meiner kleinen Reiseapotheke ein Fläschchen mit Riechsalz und eine Lanzette.«
Sir James eilte in Renés Zimmer und brachte das Erbetene.
Um die Wunde herum hatte sich bereits ein Kreis von der Größe eines Fünf-Francs-Stücks gebildet.
René verlangte ein Glas Wasser, in das er ein paar Tropfen Riechsalz gab; dann ergriff er die Lanzette und machte mit chirurgischer Gewandtheit einen kreuzförmigen Einschnitt, aus dem schwarzes, fauliges Blut drang; dann saugte er wieder an der Wunde und drückte mit dem Daumen darauf, bis das Blut rot und gesund herausquoll, woraufhin er die Wunde mit dem ätzenden Mittel behandelte.
»Dem Herrn sei gedankt!«, rief Hélène. »Sie ist noch am Leben!«
»Sie wird erst morgen sterben«, flüsterte Justin, »zu der Stunde, zu der sie heute gebissen wurde.«
René nutzte das Lebenszeichen, das Jane gegeben hatte, um sie zu nötigen, das Glas Wasser mit Riechsalz zu leeren, das er vorbereitet hatte.
In diesem Augenblick kamen die Männer, die ausgeschickt worden waren, um nach der schwarzen Hexe zu suchen, und meldeten, dass man ihren Leichnam nahe der Stelle entdeckt hatte, an der Jane aufgefunden worden war.
»Oh!«, rief René. »Als ich Janes Schrei vernahm und sie zu Boden stürzen sah, dachte ich, sie wäre einem Meuchelmord zum Opfer gefallen; ich hatte mein Gewehr zur Hand, also habe ich abgedrückt und die Frau getötet.«
»Sie Bedauernswerter«, sagte Justin leise zu ihm, »Sie haben den einzigen Menschen getötet, der sie zu retten vermocht hätte.«
»Armes geliebtes Kind!«, rief René, der Jane an die Brust drückte und in Tränen ausbrach.
»Beweine mein Schicksal nicht«, sagte Jane leise, so leise, dass niemand anders sie verstehen konnte; »hast du nicht gehört, was Justin sagte: dass mir noch vierundzwanzig Stunden Lebenszeit vergönnt sind?«
»Was soll das heißen?«, fragte René.
»Das soll heißen, mein geliebtes Herz«, flüsterte Jane, »dass mir vierundzwanzig Stunden Zeit bleiben, dir ohne Umschweife zu erklären, dass ich dich liebe! Der Tod soll mir willkommen sein; ich zählte auf ihn, aber ich ahnte nicht, wie wohlwollend er sein würde.«
In diesem Augenblick betrat der Priester das Zimmer. Niemand hatte ihn rufen lassen, und er hatte eben erst erfahren, was geschehen war.
Jane sah ihn aus dem Augenwinkel. »Lasst mich mit dem heiligen Mann allein«, sagte sie, und leise sagte sie zu René: »Komm zurück, wenn er gegangen ist; ich will auf keine Minute meiner vierundzwanzig Stunden verzichten.«
Alle verließen das Zimmer.
Draußen gab man sich dem Kummer hin, den man zuvor verborgen hatte.
Hélène, die halb ohnmächtig in den Armen ihres Mannes lag, wurde in ihr Zimmer eher getragen als geführt, und alle waren von dem Geschehen so überrascht, dass die Verblüffung den Tränen Einhalt gebot.
René ging auf die Veranda des Salons, auf der noch die zwei Sessel nebeneinander standen, wie sie verlassen worden waren; er setzte sich auf seinen Sessel, legte seinen Kopf auf Janes Sessel und überließ sich einem Schmerz, der vielleicht tiefer war als alles, was er zuvor empfunden hatte.
Denn indem er sich den zurückgelegten Weg vergegenwärtigte, erkannte er, wie Jane in aller Ruhe ihren Tod für die Stunde vorbereitet hatte, zu der er sie verlassen würde; die Frau, die sie hatte kommen lassen und die ihre schmutzige Liebe zum Geld mit ihrem Leben bezahlt hatte, nachdem sie geholfen hatte, Janes Tod vorzubereiten – war sie nicht die nubische Sklavin, der Kleopatra den Auftrag erteilt hatte, ihr in einem Korb mit Feigen die Viper zu bringen, die sie töten sollte?
Dieser Tod war für die festgesetzte Stunde geplant worden.
Da Jane ihm am Vorabend das Versprechen abgenommen hatte, nicht abzureisen, ohne es ihr vorher zu sagen, damit sie Abschied von ihm nehmen konnte, bedeutete dies, dass der Abschied kein gewöhnlicher Abschied war, sondern ein Abschied für die Ewigkeit; Jane hatte alle Vorkehrungen getroffen: Sie wusste, dass sämtliche Bewohner des Hauses, Menschen wie Tiere, die Hexe verabscheuten, und sie zweifelte nicht daran, dass ein nächtlicher Besuch der Hexe im Hof bellende Hunde und aufgeregte Domestiken zur Folge haben musste; deshalb hatte sie beschlossen, sich selbst auf den Weg zu machen und die Hexe mit nackten Beinen und Füßen
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