Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
untereinander von größter Solidarität, und wenn einer seine Verpflichtungen nicht erfüllen konnte, kamen ihm zehn andere zu Hilfe.
René, der den Seemannsstand so eingehend erkundet hatte, der jeder Gefahr die Stirn bot und der wusste, welch ausgezeichneten Rat für seine Laufbahn Monsieur Fouché ihm gegeben hatte, wusste auch, dass er mit dem höchsten Lob seiner Vorgesetzten zum Leutnant auf einem Kriegsschiff der kaiserlichen Marine ernannt worden wäre, wenn er nur die Hälfte dessen, was er als erster Offizier bei Surcouf oder als Kapitän seiner eigenen kleinen Slup vollbracht hatte, als erster Offizier an Bord eines Schiffs der französischen Kriegsmarine geleistet hätte.
Doch was er geleistet hatte, hatte er vor den Augen eines Mannes getan, dessen Herz nicht einmal der Schatten eines Neidgefühls streifte. Surcouf, dem die Leitung einer Fregatte angeboten worden war, kannten und schätzten alle Offiziere der französischen Marine. Eine Empfehlung aus seinem Mund konnte René den Weg auf jedes Schiff ebnen; René musste lediglich nach Europa zurückkehren und unter einem der herausragenden Kapitäne Dienst tun, die Schiffe wie die Tonnant , die Redoutable , Bucentaure , Fougueux , L’Achille oder die Téméraire befehligten. Dafür würde er eine Empfehlung Surcoufs benötigen, die dieser ihm sicherlich nicht verweigern würde.
Surcouf war mit General Decaen, dem Gouverneur der Île de France, bekannt; er besuchte ihn und bat ihn um eine Audienz am nächsten Tag für einen seiner tapfersten Offiziere, der nach Frankreich zurückkehren wollte, um an den Kämpfen teilzunehmen, die sich auf die Meere Spaniens und des Nordens verlagerten. Er erzählte dem Gouverneur mit aller Begeisterung, die ihm zu Gebote stand, wie René sich beim Kapern der Standard geschlagen hatte und dass er seinen Anteil an der Prise geopfert
hatte, um zwei junge Französinnen, deren Vater an Bord ebendieses Schiffes umgekommen war, nach Birma zu bringen.
Birma, in verschiedene Königreiche unterteilt, war nicht nur in Europa so gut wie unbekannt, sondern auch auf der Île de France, obwohl es sich lohnte, dieses Land zu kennen, das fast als Einziges dem Druck Englands widerstanden hatte.
General Decaen erwiderte, er werde sich glücklich schätzen, den tapferen Mann zu empfangen, den Surcouf ihm empfahl.
Am nächsten Tag fand sich René zur vereinbarten Stunde bei dem Gouverneur ein; er nannte dem Türsteher seinen Namen, doch dieser zögerte, ihn einzulassen. Das Zögern entging René nicht, und er fragte den Türsteher nach dem Grund.
»Sind Sie wirklich der erste Offizier Monsieur Surcoufs und der Kapitän der Runner of New York ?«
»Der bin ich allerdings.«
Das Zögern des guten Mannes war umso begreiflicher, als die Uniform bei Korsaren nicht obligatorisch war und René sich nach der Mode der Zeit gekleidet hatte, mit jener angeborenen Eleganz, die er nicht ablegen konnte, selbst wenn er sich bemüht hätte, die Klasse zu verbergen, in der er geboren und aufgewachsen war. Da er sich nicht weiter Gedanken um sein Auftreten auf der Île de France gemacht hatte, war er so gekleidet, als wollte er die Gräfin von Sourdis oder Madame Récamier besuchen.
General Decaen, dem ein Monsieur René, erster Offizier bei Surcouf, angekündigt wurde, erwartete einen Seebären, einen vierschrötigen Kerl mit borstigem Haupthaar, ungepflegtem Kinn- und Backenbart und in einer Aufmachung, die eher malerisch als elegant war. Stattdessen sah er einen schönen jungen Mann mit blassem Teint, sanftem Blick, lockigem Haar, tadellosen Handschuhen und mit dem Anflug eines Schnurrbarts.
General Decaen hatte sich erhoben, als Monsieur René angekündigt wurde, doch als er ihn erblickte, blieb er sprachlos stehen.
René hingegen trat mit der Ungezwungenheit eines Mannes von Welt auf ihn zu, der es gewohnt ist, in den vornehmsten Salons zu verkehren, und begrüßte den General mit vollendeter Anmut.
»Monsieur«, sagte der General voller Erstaunen, »sind Sie der Mann, von dem unser wackerer Korsar Surcouf mir gestern erzählt hat?«
»Du lieber Himmel«, sagte René, »General, Sie machen mir Angst. Wenn er Ihnen etwas anderes vorgegaukelt hat als einen schlichten Burschen von vier- bis fünfundzwanzig Jahren, der in seinem Gewerbe nicht
sonderlich kundig ist, da er es erst seit einem Jahr ausübt, ziehe ich mich jederzeit gerne zurück und räume ein, dass ich das Interesse nicht verdiene, das mir auf seine Empfehlung hin
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