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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Gläser aus.
    Die drei Burschen, wenig erfahren in so bedenklichen Sachen, ließen sich nun ohne Arg von ihrer Ausgelassenheit hinreißen und freuten sich über das reizende lustige Mädchen, über welches ein eigentümlicher dämonischer Zauber gegossen war. Sie brach blühende Myrten-und Lorbeerzweige und flocht Kränze daraus; sie plünderte das ganze Gewächshaus, um Sträuße zu binden, und indem sie ihre Zechbrüder mit den fremden Wunderblumen aufputzte und ihnen die Kränze aufsetzte sowie sich selbst, tanzte sie nicht wie eine Diana, sondern wie eine kleine angehende Bacchantin herum, ohne daß indes die ganze Szene das geringste von ihrer Unschuld und Harmlosigkeit verloren hätte.
    Aber plötzlich, als die Lust am größten war, veränderte sich ihr Gesicht, und sie fing bitterlich an zu weinen; sie warf sich auf einen Stuhl und weinte mehr und mehr, es war, als ob alle Quellen des Leides sich geöffnet hätten, und bald war das Tischtuch, auf das sie ihr schluchzendes Haupt niederbeugte, von ihren strömenden Tränen benetzt, die sich mit dem Champagner ihres umgestürzten Glases vermischten.
    Mit durchdringender, klagender Stimme rief sie, vom Schluchzen unterbrochen, nach Ferdinand, nach ihrer Mutter. In größter Ratlosigkeit suchten die Gesellen sie zu beruhigen und aufzurichten, zugleich befürchtend, daß andere Gäste herbeikommen und Agnesens bedenklichen Zustand sehen möchten.
    Allein ihr Schrecken wurde noch größer, als die Tränen unversehens versiegten, Agnes vom Stuhle sank und in wilde Krämpfe und Zuckungen verfiel. Sie warf ihre feinen weißen Arme umher, die Brust drohte das spannende Silbergewand zu sprengen, und die schönen dunkelblauen Augen rollten wie irre Sterne in dem bleichen Gesicht. Heinrich wollte nach Hilfe rufen, aber der Bergkönig, welcher der älteste war, hielt ihn davon ab, um einen allgemeinen Auftritt zu verhüten. Sie hofften, der Anfall würde vorübergehen, sprengten ihr Wasser ins Gesicht und lüfteten das Brustgewand, daß der kleine pochende Busen offen leuchtete. Heinrich hielt das schöne tobende Mädchen, das mehr dem Tode als dem Leben nahe schien, auf seinen Knien, da kein geeigneter Ruhesitz im Treibhause war, und indem er das zärtlichste Mitleid für sie fühlte, verwünschte er den eigensüchtigen Ferdinand, welcher nun weiß Gott wo umherschweifen mochte.
    Als aber der unglückliche Zustand, anstatt vorürberzugehen, immer schlimmer und bedrohlicher wurde, indem die Zuckende kaum mehr zu halten war, entschlossen sie sich in der größten Angst, die Kranke vorsichtig nach dem Hause zu tragen.
    Der Bergkönig und der Winzer hoben sie auf ihre Arme und trugen die tobende Diana auf dem dunkelsten Seitenwege durch den Garten, indessen Heinrich voranging und die Gelegenheit erspähte. So gelangten sie mit der verräterisch glänzenden und ächzenden Last mit Mühe endlich durch eine Hintertür in das Haus und in das obere Stockwerk, wo sie ein mit Betten versehenes Zimmer fanden. Sie legten dort das arme Kind hin und suchten in der Stille einige weibliche Hilfe herbei. Es war auch die höchste Zeit, denn sie lag nun in tiefer Ohnmacht; zugleich erregte aber die herbeigeeilte Gärtnersfrau, die Heinrich gefunden, ein solches Lamento, daß bald alle noch anwesenden Damen in dem Zimmer waren, der Vorfall nun mit dem größten Aufsehen bekannt ward und die betroffenen drei Zecher sich in den Hintergrund ziehen mußten.
    Es gelang endlich, die Ohnmächtige wieder ins Leben zu rufen, und da sich auch zweckmäßige Hilfsmittel fanden, erholte sie sich in etwas, ohne jedoch zum klaren Verstande zu kommen. Doch konnte keine Rede davon sein, sie noch heute nach Hause zu bringen, obgleich ein schnell herbeigekommener Arzt die Sache nicht für gefährlich erklärte und Ruhe und Schlaf als die sicherste Hilfe zur gänzlichen Erholung bezeichnete.
    Heinrich machte sich auf den Weg nach der Stadt, um Agnesens Mutter zu benachrichtigen. Die Fahrstraße war bedeckt mit Wagen, die, mit Tannenreis geschmückt, die heimkehrenden Masken trugen, und dazwischen von vielen Fußgängern. Um schneller vorwärts zu gelangen und ungestörter zu sein, schlug Heinrich einen Fußpfad ein, welcher im lichten Walde sich hinzog zur Seite der Straße. Als er einige Zeit gegangen, holte er Ferdinand ein, dessen weiter seidener Mantel sowie der Saum des batistenen langen Rockes sich unablässig in den Sträuchern und Dornen verwickelten und zerrissen und so sein Fortkommen erschwerten.

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