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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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kann mir vornehmen, treu zu sein, aber das Auge nimmt sich nichts vor, das gehorcht und fügt sich der Kette der ewigen Naturgesetze. Luther hat nur als Normalmann, nicht als einer von denen gesprochen, welche Religionen stiften oder säubern und die Welt verändern, wenn er sagte, er könne kein Weib ansehen, ohne ihrer zu begehren! Erst durch ein Weib, welches durch spezifisches Wesen, durch Reinheit von allem eigensinnigen, kränklichen und absonderlichen Beiwerke eine Darstellung einer ganzen Welt von Weibern ist, durch ein Weib von so unverwüstlicher Gesundheit, Heiterkeit, Güte und Klugheit wie diese Rosalie – kann ein kluger Mann für immer gefesselt werden. Wie beschämt sehe ich nun ein, welche vergängliche Spezialität, welch phänomenartiges Wesen ich in dieser Agnes mir zu verbinden im Begriffe war! Du aber schäme dich ebenfalls, als solch ein zierlich entworfenes, aber noch leeres Schema in der Welt umherzulaufen wie ein Schatten ohne Körper! Suche, daß du endlich einen Inhalt, eine solide Füllung bekommst, anstatt anderen mit deinem Wortgeklingel beschwerlich zu fallen!«
    Vielfach beleidigt schwieg Heinrich eine Weile; er war tief gereizt, und es kochte und gärte gewaltig in ihm; denn er war in seinem besten Bewußtsein angegriffen und fühlte sich um so verletzter und verwirrter, als in Ferdinands Worten etwas lag, das er im Augenblick nicht zu erwidern wußte. Der genossene Wein und die nun schon vierundzwanzigstündige ununterbrochene Aufregung taten auch das Ihrige, seine Lust, die Sache vollends auszufechten, zu entflammen, und er begann daher wieder mit entschiedener Stimme: »Nach deiner vorhinnigen Äußerung zu urteilen, bist du also nicht sehr willens, dem Mädchen die Hoffnungen, die du ihr leichtsinnigerweise angeregt, zu erfüllen?«
    »Ich habe keine Hoffnungen angeregt«, sagte Lys, »ich bin frei und meines Willens Herr, gegen ein Weib sowohl wie gegen alle Welt! Übrigens werde ich für das gute Kind tun, was ich kann, und ihr ein wahrer und uneigennütziger Freund sein, ohne Ziererei und ohne Phrasen! Und zum letztenmal gesagt Kümmere dich nicht um meine Liebschaften, ich weise es durchaus ab!«
    »Ich werde mich aber darum kümmern«, rief Heinrich, »entweder sollst du einmal Treue und Ehre halten, oder ich will es dir in die Seele hinein beweisen, daß du unrecht tust! Das kommt aber nur von dem trivialen trostlosen Atheismus! Wo kein Gott ist, da ist kein Salz und kein Schmalz, nichts als haltloses Zeug!«
    Ferdinand lachte laut auf und rief: »Nun, dein Gott sei gelobt! Dacht ich doch, daß du endlich noch in diesen glückseligen Hafen einlaufen würdest! Ich bitte dich aber jetzt, grüner Heinrich, laß den lieben Gott aus dem Spiele, der hat hier ganz und gar nichts damit zu tun! Ich versichere dich, ich würde mit oder ohne Gott ganz der gleiche sein! Das hängt nicht von meinem Glauben, sondern von meinen Augen, von meinem Hirn, von meinem ganzen körperlichen Wesen ab!«
    »Und von deinem Herzen!« rief Heinrich zornig und außer sich, »ja, sagen wir es nur heraus, nicht dein Kopf, sondern dein Herz kennt keinen Gott! Dein Glauben oder vielmehr dein Nichtglauben ist dein Charakter!«
    »Nun hab ich genug, Verleumder!« donnerte Ferdinand mit starkem und erschreckendem Tone, »obgleich es ein Unsinn ist, den du sprichst, welcher an sich nicht beleidigen kann, so weiß ich, wie du es meinst; denn ich kenne diese unverschämte Sprache der Hirnspinner und Fanatiker, die ich dir nie, nie zugetraut hätte! Sogleich nimm zurück, was du gesagt hast! Denn ich lasse nicht ungestraft meinen Charakter antasten!«
    »Nichts nehm ich zurück und werfe dir deinen Verleumder zu eigenem Gebrauche zu! Nun wollen wir sehen, wie weit dich deine gottlose Tollheit führt!« Dies sagte Heinrich, während eine wilde Streitlust in ihm aufflammte.
    Ferdinand aber antwortete mit bitterer verdrußvoller Stimme: »Genug des Schimpfens! Du bist von mir gefordert! Und zwar mit Tagesanbruch halte dich bereit, einmal mit der Klinge in der Hand für deinen Gott einzustehen, für den du so weidlich zu schimpfen verstehst! Sorge für deinen Beistand, und nun geh deines Weges und laß mich allein!«
    Er brauchte dies nicht zweimal zu sagen; denn Heinrich hatte unter anderen Torheiten, als er fechten gelernt, sich auch das großländische Benehmen in sogenannten Ehrensachen gemerkt und angeeignet, ohne daß er es bis jetzt betätigen konnte; und obgleich er noch genug auf dem Herzen hatte und gern

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