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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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noch lange gesprochen und gezankt hätte, gleich den alten Helden, welche wenigstens ebenso viele Worte als Streiche auszugeben wußten und bei aller Tatkräftigkeit doch gern vorher den Streit gründlich besprachen, so ging er doch jetzt ebenso stramm und lautlos von hinnen wie ein geforderter Student oder Gardeoffizier, während der Zipfel seiner Kappe gemütlich klingelte und sein Herz gewaltig klopfte.
    Beide erzürnte Freunde fanden nur zu leicht und bald andere Törichte unter den heimwärts schwärmenden Künstlern, welche sogleich mit feierlicher Bereitwilligkeit die erforderlichen Verabredungen und Vorbereitungen trafen.
    Das Duell sollte in Ferdinands Wohnung stattfinden.
    Dieser begab sich nach Hause und blieb den übrigen Teil der Nacht auf, ohne sich umzukleiden. Er schrieb einige Briefe und versiegelte sie, warf das erotische Album, das ihm in die Hände fiel, unwillkürlich und errötend ins Feuer, ordnete dies und jenes, und als er damit zu Ende war, löschte er das Licht, setzte sich an das Fenster und erwartete den anbrechenden Morgen.
    Ohne Haß gegen Heinrich zu empfinden, war er doch sehr traurig und gekränkt durch das unbedachte und bösartige Wort, welches dieser ihm ins Gesicht geworfen. Er unterdrückte daher den Gedanken, als der Ältere die Beleidigung zu verzeihen und sich bei kaltem Blute mit dem jungen Freunde auszugleichen, und gedachte dem Unbesonnenen als einem Vertreter einer ganzen Gattung und Lebensrichtung einmal eine Lektion zu geben oder wenigstens durch den Ernst des Vorfalles ihm die Augen zu öffnen. Für sich war er nicht besorgt, und es war ihm in seiner jetzigen Stimmung gleichgültig, was ihn betreffen möchte, ja er wünschte, daß Heinrich ihn träfe und sein Blut vergösse, damit er recht empfindlich für seine leichtsinnige Kränkung bestraft würde.
    Dann richtete er seine Gedanken auf Rosalien, die ihm nun, da sie liebte und verlobt war, noch schöner und wünschenswerter erschien. Er glaubte überzeugt zu sein, daß er sie dauernd geliebt hätte, und sah sich die schöne Frau wie ein guter Stern entschwinden, der nie wiederkehrt.
    Heinrich fühlte sich so aufgeregt und munter, daß er, anstatt nach Hause zu gehen und auszuruhen, sich bis zum Morgen in verschiedenen Zechstuben herumtrieb, wo die unermüdlichsten der Künstler die zweite Nacht ohne Schlaf bei Wein und Gesang vollendeten. Auch sagte ihm ein schlauer Instinkt, daß er, wenn er anders das tüchtige Erlebnis, das tatkräftige Gebaren, das ihn lockend durchfieberte, nicht verlieren wollte, die Sache nicht vorher beschlafen und mit der Einkehr in seine Behausung und bei sich selbst etwa auf nüchterne Gedanken kommen dürfe.
    Er sah jetzt nur das Kreuzen der glänzenden Klingen, mit welchem er das Dasein Gottes entweder in die Brust des liebsten Freundes schreiben oder es mit seinem eigenen Blute besiegeln wollte. Beides reizte ihn gleich angenehm, und er dachte daher an Ferdinand mit ungewöhnlicher Zärtlichkeit, wie an ein köstliches Pergament, auf welches man seine heiligste Überzeugung schreiben will. Der Morgen ging endlich auf, und Heinrich eilte an den verabredeten Ort.
    Unterwegs kam er an seiner Wohnung vorbei; aber er ging nicht hinein, um nur das Geringste zu besorgen, sondern eilte hastig weiter. An einem Brunnen wusch er sich sorgfältig Gesicht und Hände und ordnete seine Kleider, und darauf trat er frisch und munter, mit seltsam gespannter Lebenskraft, in Ferdinands großes Atelier, wo schon alle Beteiligten versammelt waren.
    Man hatte kurze dreikantige Stoßdegen gewählt, welche mit einer vergoldeten Glocke versehen waren, sehr hübsch aussahen und Pariser genannt wurden. Jeder nahm seine Waffe, ohne den andern anzusehen; doch als sie sich gegenüberstanden, mußten sie unwillkürlich lächeln und begannen mit sehnsüchtiger Lust die Klingen in behaglicher Langsamkeit aneinander hingleiten zu lassen.
    Sie standen gerade vor dem wandgroßen Bilde, auf welchem die Bank der Spötter gemalt war. Das schöne Bild glänzte im Morgenlicht und in all seiner festen vollen Farbenpracht, und die Spötter schienen die Kämpfenden neugierig und launig zu betrachten. Der Abbé nahm seine Prise, der Alte schlug ein Schnippchen, und der Taugenichts hielt die Rose vor den höhnischen Mund.
    Bis jetzt war das Fechten ein Spiel gewesen, bei welchem nichts herauskommen konnte, da jeder mit Leichtigkeit die Stöße des andern übersah und parierte. Die scharfgeschliffenen Spitzen, welche vor ihren Augen

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