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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Heimat aus Scherz oder Laune unternommen, ihn eigentlich nicht ein Jota mehr Mühe gekostet als andere Dinge; er malte sich die Erinnerung, die Gegenstände und Anlässe auf das genaueste aus und glaubte deutlich zu sehen, wie nur der Mangel an Pflege und Fortsetzung schuld sei, warum er nicht in diesem Gebiete ebensoviel und vielleicht Besseres leistete als in der erwählten Landschaft. Mit einem Worte, mit einem seltsamen Frösteln Überzeugte er sich, aufspringend und die Tafel von sich schleudernd, daß seine geliebte und begeisterte Wahl, der er vom vierzehnten Jahre an bis heute gelebt, nicht viel mehr als ein Zufall, eine durch zufällige Umstände bedingte Ideenverbindung gewesen sei.
    Jünglinge von zwei-oder dreiundzwanzig Jahren wissen noch nicht, daß jedes Leben seinen eigenen Mann macht, und haben noch keine Trostgründe für Jahre, welche sie verloren wähnen. Wenn sie schon bei acht Jahre zurückzählen können, die sie über einer Lebenstätigkeit zugebracht, so befällt sie eine Art heiligen Grauens, selbst wenn diese Jahre wohl angewandt sind.
    Sie vertändeln, verträumen die Stunden und Tage, aber sie hegen einen tiefen Respekt vor den Jahren, tun sich auf ihre Jugend soviel als möglich zu gut und stecken sich unaufhörlich feste Ziele, welche sie in so oder so viel Jahren erreichen wollen.
    Um so verdutzter und bitterlicher lächelte Heinrich jetzt vor sich hin. Er ergriff in der Verwirrung seine alte Flöte, tat einige seiner naturwüchsigen selbsterfundenen Läufe darauf und warf sie wieder weg. Der Ärmste ahnte aber nicht einmal, was die verklungenen Töne gesungen hatten und daß, wenn zufällig ein Klavier in seinem elterlichen Hause gestanden und er etwa als Kind einen Musikkundigen in der Nähe gehabt hätte, es sich vielleicht jetzt gar nicht einmal um Bäume oder Menschen handeln, sondern er irgendwo als eingeübter Musikant oder gar als hoffnungsvoller Komponist existieren würde, der auf seinen selbstgewählten Beruf schwüre, ohne auf einem festern Grunde zu stehen, kurz, daß ihn der Zufall auf hundert andere vermeintliche Bestimmungen hätte führen können.
    Zweites Kapitel
    Mehr um für seine verwirrten Gedanken ein Unterkommen zu finden als aus einem festen Entschlusse drehte nun Heinrich den Fechter herum und zeichnete denselben während mehrerer Tage von verschiedenen Seiten. Sobald aber das erste instinktive Geschick und Feuer sich abgekühlt, drängte es ihn, die Erscheinungen, welche sich auf dieser bewegten Oberfläche zeigten, in ihrem Grund und Wesen näher zu kennen. In der Meinung, keine Zeit mehr zu verlieren, ging er vor allem aus, eine genauere Kunde vom menschlichen Körper zu erwerben, und suchte zu diesem Zwecke einige junge Mediziner auf, die er als Landsleute kennengelernt und zuweilen gesehen hatte. Sie zeigten ihm bereitwillig ihre anatomischen Atlanten, erklärten aus ihrem Wissen heraus, was ihnen gut dünkte, und führten ihn in die öffentlichen Sammlungen, wohl auch durch die Säle, wo ein blühendes Geschlecht von Jünglingen, geleitet von gewandten Männern, mit vergnügtem Eifer einen Vorrat von Leichen zerlegte.
    Als Heinrich erstaunte, so viele begeisterte Leute zu sehen, welche ein und denselben Gegenstand in allseitigster Bestrebung hin und her wandten und sich der bloßen Erkenntnis freuten, ohne etwas dazu-noch davonzutun, noch die mindeste Erfindungslust zu besitzen, als er noch mehr erstaunte über die reiche Welt selbst, welche sich bei näherer Einsicht an diesem einzigen Gegenstande selbst auftat, mit weiten unerforschten Gebieten, Vermutungen, Hoffnungen, welche so voll und wichtig klangen wie diejenigen, welche die Vorgänge des Weltraumes, des gestirnten Himmels zum Gegenstande hatten; als er endlich nicht wußte, wie er sich zu all diesem verhalten sollte, riet ihm ein junger Doktor, eine berühmte Vorlesung über Anthropologie zu besuchen, welche eben in diesen Tagen ihren Anfang nahm. Der kluge junge Mann wußte wohl, daß dergleichen allgemeine, einleitende Lehren am besten geeignet wären, die erste verzeihliche Neugierde zu stillen, den Nichtberufenen aber gerade dadurch abhielten, sich dann ferner da zwecklos umherzutreiben, wo er nicht hingehörte.
    So trat Heinrich zum ersten Male in das weitläufige, palastartige Universitätsgebäude und sah sich unter die summende Menge junger Leute verwickelt, welche aus allen Sälen strömte und auf den Gängen und Treppen sich kreuzte. Heinrich mußte alle diese jungen Männer als seit

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