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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Halt-und Stützpunkte wird, erreicht seine Dankbarkeit eine schönere Höhe, welche ihn selber bildet und veredelt. Die Erfahrung, daß unbedingte Tugend und Güte irgendwo sind, ist ja die schönste, die man machen kann, und selbst die Seele des Lasterhaften reibt sich vor Vergnügen ihre unsichtbaren dunklen Hände, wenn sie sich überzeugt, daß andere für sie gut und tugendhaft sind.
    Mit dem praktischen Sinne und dem raschen Aneignungsvermögen des Autodidakten fand sich Heinrich zurecht in der reichen Welt, die sich ihm auftat; mit der plastischen Anschauungsweise, welche er als Künstler mitbrachte, wußte er die verschiedenen Momente des organischen Wesens lebendig aufzufassen, auseinanderzuhalten, wieder zu verbinden und sich deutlich einzuprägen und so die Kunde von dem, woraus er eigentlich bestand, wodurch er atmete und lebte, in dem edelsten Teile desselben selbst aufzubewahren und mit sich herumzutragen, ein Vorgang, dessen Natürlichkeit jetzt endlich wohl so einleuchtend werden dürfte, daß er zum Gegenstande allgemeinster Erziehung gemacht wird. Mit dieser Kenntnis, auf welche der Mensch das erste Anrecht hat, müßten alle Volksschulen abschließen; sie ist es, welche alle anderen von selbst anzieht, und in notwendigster Weise sehr zweckmäßig gerade je nach Beschaffenheit des lernenden jungen Menschen.
    Alle Einwürfe und Altklugheit, Halbverständnis oder gar von Verbreitung einer allgemeinen Hypochondrie in das unbefangene Volksgemüt werden verstummen, sobald die klassische Form für den großen öffentlichen Unterricht vom leiblichen Menschen gefunden ist.
    Die Kenntnis vom Charakteristischen und Wesentlichen der Dinge läßt diejenige vom letzten Grunde einstweilen eher vermissen oder führt wenigstens auf den Weg, denselben auf eine vernünftigere und mildere Weise zu suchen, während sie zugleich alle unnützen, müßigen Märchen und Vorurteile hinwegräumt und dem Menschen einen schönen, wirklichen Stoff und Halt zum Nachdenken gibt, ein Nachdenken, welches dann zu dem einzig möglichen Ideal, zu dem, was wirklich besteht, hinführt. Welch ein Unterschied ist zwischen dem theosophischen Phantasten, der immerdar von der Quelle des Lichtes als von einem irgendwo ins Zentrum gesetzten sprühenden Feuertopfe spricht, und zwischen dem sterbenden Goethe, welcher nach mehr Licht rief, aber ein besseres Recht dazu besaß als jener, der nie sich um einen wahrhaften wirklichen Lichtstrahl bekümmert hat. Welch ein Ersatz für das hergebrachte begriffslose Wort Ewigkeit ist die Kenntnisnahme von der Entfernung der Himmelskörper und der Schnelligkeit des Lichtes, von der Tatsache, daß wir allaugenblicklich Licht, also Körper mit ihren Schicksalen, in ihrem Bestehen, wahrnehmen, welches vor einem Jahre, vor hundert, tausend und mehr Jahren gewesen ist, daß wir also mit einem Blicke tausend Existenzen tausend verschiedener Zeiträume auffassen, vom nächsten Baume an, welchen wir gleichzeitig mit seinem wirklichen augenblicklichen Dasein wahrnehmen, bis zu dem fernen Stern, dessen Licht länger unterwegs ist, als das Menschengeschlecht unsers Wissens besteht, und der vielleicht schon nicht mehr war, ehe dasselbe begann, und den wir doch jetzt erst sehen.
    Wo bleibt da noch eine Unruhe, ein zweifelhaftes Sehnen nach einer unbegriffenen Ewigkeit, wenn wir sehen, daß alles entsteht und vergeht, sein Dasein abmißt nacheinander und doch wieder zumal ist?
    Das Licht hat aber den Sehnerv gereift und ihn mit der Blume des Auges gekrönt, gleich wie die Sonne die Knospen der Pflanzen erschließt; es hat das Auge scheinbar selbständig sich gegenüber gesetzt, so daß, wenn das Auges des Tieres und des bewußtlosen Menschen sich schließt, für dasselbe auch kein Licht mehr in der Welt ist; aber im bewußten Menschen bleibt die Erfahrung, und durch die Generationen vereinigt die eingeborne Kunde wieder die Welle mit der Quelle, das Auge mit dem Lichte, so daß beide eines sind, und wenn ein Auge sich schließet, so weiß es noch ist das Licht da und genug Augen, es zu sehen. Das Licht hat den Gesichtssinn hervorgerufen, die Erfahrung ist die Blüte des Gesichtssinnes, und ihre Frucht ist der selbstbewußte Geist; durch diesen aber gestaltet sich das Körperliche selbst um, bildet sich aus, und das Licht kehrt in sich selber zurück aus dem von Geist strahlenden Auge. Denn der Geist, welchen die Materie die Macht hat in sich zu halten, hat seinerseits die Kraft, in seinen Organen dieselbe zu

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