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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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viel Geld, und um sich dieses zu verschaffen, verfiel er auf die sonderbarsten Erfindungen, Lügen und Ränke, welche ihm nur eine Art Fortsetzung der früheren Romantik waren. Jedoch hielt dies nur halb verdächtige Treiben nicht lange vor, vielmehr sah er sich bald darauf verwiesen, zuzugreifen, wo er konnte. Denn er gehörte zu jenen Menschen, die nicht gesonnen sind, sich in ihren Begierden im mindesten zu beschränken, und in der Gemeinheit ihrer Gesinnung dem Nächsten mit List oder Gewalt das entreißen, was er gutwillig nicht lassen will. Diese niedere Gesinnung ist gleichmäßig der Ursprung scheinbar ganz verschiedener Erscheinungen. Sie beseelt den ungeliebten Herrscher, der, in seinem Dasein jedem Kind im Lande ein Überdruß, doch nicht von seiner Stelle weicht und nicht zu stolz ist, sich vom Herzblute des verachteten und gehaßten Volkes zu nähren; sie ist der Kern der Leidenschaftlichkeit eines Verliebten, welcher, nachdem er einmal die bestimmte Erklärung der Nichterwiderung erhalten hat, sich nicht sogleich bescheidet, sondern mit gewaltsamer Aufdringlichkeit ein fremdes Leben verbittert; wie in allen diesen Zügen lebt sie endlich auch in der Selbstsucht des Betrügers und Diebes jeglicher Art, groß und klein; überall ist sie ein unverschämtes Zugreifen, zu welchem mein ehemaliger Gefährte nun auch seine Zuflucht nahm. Ich hatte ihn im Verlaufe der Zeit ganz aus den Augen verloren, während er schon mehrere Male im Gefängnisse gesessen hatte, und dachte eines Tages an nichts weniger als an ihn, da ich einen verkommenen Menschen durch die Häscher dem Zuchthause zuführen sah. In demselben ist er seither gestorben.

Dreizehntes Kapitel
    Waffenfrühling. Frühes Verschulden Ich war nun zwölf Jahre alt, so daß meine Mutter auf meine weitere Schulbildung denken mußte. Der Plan des Vaters, daß ich der Reihe nach die von gemeinnützigen Vereinen begründeten Privatanstalten besuchen sollte, war nun zerschnitten, indem dieselben inzwischen durch wohleingerichtete öffentliche Schulen überflüssig geworden; denn die abermalige Regeneration der Schweiz hatte zuerst auf diesen Punkt ihr Augenmerk gerichtet. Der alte Gelehrten-und Lehrerstand der Städte wurde durch einberufene deutsche Schulmänner reichlich erweitert und in den meisten Kantonen an eine große Zwillingsschule verteilt, welche aus einem Gymnasium und einer Realschule bestand. Bei der letzteren brachte mich die Mutter nach mehreren Beratungen und feierlichen Gängen unter, und die Leistungen meiner bescheidenen Armenschule, aus welcher ich halb wehmütig und halb fröhlich schied, erwiesen sich bei der Aufnahmeprüfung so genügend, daß ich neben den Zöglingen der guten alten Stadtschulen vollkommen bestand. Denn diese wohlhabenden Bürgerkinder waren nun ebenfalls auf die neuen Einrichtungen angewiesen. So fand ich mich plötzlich in eine ganz andere Umgebung versetzt. Statt wie früher der bestgekleidete und vornehmste meiner Mitschüler zu sein, war ich in meinen grünen Jäckchen, welche ich aufs äußerste ausnutzen mußte, nun einer der unansehnlichsten und bescheidensten, und das nicht nur in Betracht der Kleidung, sondern auch des Benehmens. Die Mehrzahl der Knaben gehörte dem altherkömmlichen Bürgerstande an; einige waren vornehme feine Herrenkinder, und einige hinwieder stammten von reichen Dorfmagnaten; alle aber hatten ein sicheres Auftreten und Gebaren, entschiedene Manieren und einen fixen Jargon im Sprechen und Spielen, vor welchem ich blöde und unsicher dastand. Wenn sie sich stritten, so schlugen sie sich gleich mit raschen Bewegungen ins Gesicht, daß es klatschte, und mehr Mühe als das neue Lernen machte mir das Zurechtfinden in diese neue Umgangsweise, wenn ich nicht zuviel Unbilden erleiden wollte. Ich erkannte nun erst, wie mild und gutmütig die Gesellschaft der armen Kinder gewesen war, und schlüpfte noch oft zu ihnen, die mich mit wehmütigem Neide von meinen jetzigen Verhältnissen erzählen hörten.
    In der Tat brachte jeder Tag neue Veränderungen in meine bisherige Lebensweise. Seit alter Zeit war die Jugend der Städte in den Waffen geübt worden, vom zehnten Jahre an bis beinahe zum wirklichen Militärdienste des Jünglingsalters; nur war es mehr eine Sache der Lust und des freien Willens gewesen, und wer seine Kinder nicht wollte teilnehmen lassen, war nicht gezwungen. Nun aber wurden die Waffenübungen für die sämtliche schulpflichtige Jugend gesetzlich geboten, so daß jede Kantonsschule

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