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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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auf dem Wasser flimmerte, als wir anlangten. Die jungen Leute jagten sich auf dem Platze unter den Eschen umher und drängten einander in das Flüßchen, die Töchter sangen im Garten, und die Muhme rief aus dem Fenster, ich sei ein Landstreicher, den man den ganzen Tag nie gesehen habe.

Zwanzigstes Kapitel
    Berufsahnungen
    Der nächste junge Tag ließ mich von allen Seiten mit dem Rufe Maler!
    begrüßen. Guten Morgen, Maler! Haben der Herr Maler wohl geruht? Maler, zum Frühstück! hieß es, und das Völklein handhabte diesen Titel mit derjenigen gutmütig spottenden Freude, welche es immer empfindet, wenn es für einen neuen Ankömmling, den es nicht recht anzugreifen wußte, endlich eine geläufige Bezeichnung gefunden hat. Ich ließ mir jedoch den angewiesenen Rang gern gefallen und nahm mir im stillen vor, denselben nie mehr aufzugeben. Ich brachte aus Pflichtgefühl die erste Morgenstunde noch über meinen Schulbüchern zu, mich selbst unterrichtend; aber mit dem grauen Löschpapier dieser melancholischen Werke kam die Öde und die Beklemmung der Vergangenheit wieder heran; jenseits des Tales lag der Wald in silbergrauem Duft, die Terrassen hoben sich merklich voneinander los; ihre laubigen Umrisse, von der Morgensonne bestreift, waren hellgrün, jede bedeutende Baumgruppe zeichnete sich groß und schön in dem zusammenhaltenden Dufte und schien ein Spielwerk für die nachahmende Hand zu sein; meine Schulstunde wollte aber nicht vorübergehen, obschon ich längst nicht mehr aufmerkte.
    Ungeduldig ging ich, ein Lehrbuch der Physik in der Hand, hin und her und durch mehrere Zimmer, bis ich in einem derselben die weltliche Bibliothek des Hauses entdeckte; ein breiter alter Strohhut, wie ihn die Mädchen zur Feldarbeit brauchen, hing darüber und verbarg sie beinahe ganz. Wie ich denselben aber wegnahm, sah ich eine kleine Schar guter Franzbände mit goldenem Rücken, ich zog einen Quartband hervor, blies den dichten Staub davon und schlug die Geßnerschen Werke auf, in dickem Velinpapier, mit einer Menge Vignetten und Bildern geschmückt. Überall, wo ich blätterte, war von Natur, Landschaft, Wald und Flur die Rede; die Radierungen, von Geßners Hand mit Liebe und Begeisterung gemacht, entsprachen diesem Inhalte; ich sah meine Neigung hier den Gegenstand eines großen, schönen und ehrwürdigen Buches bilden. Als ich aber auf den Brief über die Landschaftmalerei geriet, worin der Verfasser einem jungen Manne guten Rat erteilt, las ich denselben überrascht vom Anfang bis zum Ende durch. Die unschuldige Naivetät dieser Abhandlung war mir ganz faßlich; die Stelle, wo geraten wird, mannigfaltig gebrochene Feld-und Bachsteine auf das Zimmer zu tragen und danach Felsenstudien zu machen, entsprach meinem noch halbkindischen Wesen und leuchtete mir ungemein in den Kopf. Ich liebte sogleich diesen Mann und machte ihn zu meinem Propheten. Nach mehr Büchern von ihm suchend, fand ich ein kleines Bändchen, nicht von ihm, aber seine Biographie enthaltend. Auch dieses las ich auf der Stelle ganz durch. Er war ebenfalls ein hoffnungsloser Schüler gewesen, indessen er auf eigene Faust schrieb und künstlerischen Beschäftigungen nachhing. Es war in dem Werklein viel von Genie und eigener Bahn und solchen Dingen die Rede, von Leichtsinn, Drangsal und endlicher Verklärung, Ruhm und Glück. Ich schlug es still und gedankenvoll zu, dachte zwar nicht sehr tief, war jedoch, wenn auch nicht klar bewußt, für die Bande geworben.
    Es ist bei der besten Erziehung nicht zu verhüten, daß dieser folgenreiche und gefährliche Augenblick nicht über empfängliche junge Häupter komme, unbemerkt von aller Umgebung, und wohl nur wenigen ist es vergönnt, daß sie erst das leidige Wort Genie kennenlernen, nachdem sie unbefangen und arglos bereits ein gesundes Stück Leben, Lernen, Schaffen und Gelingen hinter sich haben. Ja, es ist überhaupt die Frage, ob nicht zu dem bescheidensten Gelingen eine dichte Unterlage von bewußten Vorsätzen und allem Apparate der Geniesucht gehöre, und der Unterschied mag oft nur darin bestehen, daß das wirkliche Genie diesen Apparat nicht sehen läßt, sondern vorweg verbrennt, während das bloß vermeintliche ihn mit großem Aufwande hervorkehrt und wie ein verwitterndes Baugerüst stehen läßt am unfertigen Tempel.
    Den berückenden Trank schöpfte ich jedoch nicht aus einem anspruchsvollen und blendenden Zauberbecher, sondern aus einer bescheidenen lieblichen Hirtenschale; denn bei allen

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