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Der Grüne Strahl

Der Grüne Strahl

Titel: Der Grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sprechen. Endlich entfuhren ih-
    rem Mund die Worte:
    »Mr. Ursiclos, Sie hätten auch besser getan, nicht gerade
    zur rechten Zeit zu kommen, um eine Dummheit zu bege-
    hen.«
    12. KAPITEL
    Neue Pläne
    Die Rückfahrt nach Oban erfolgte unter weit weniger ange-
    nehmen Umständen, als die Fahrt zur Insel Seil. Man hatte
    geglaubt, einem Erfolg entgegenzugehen und kam von ei-
    nem Mißerfolg zurück.
    Wenn die Enttäuschung, die Miss Campbell empfand,
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    durch irgend etwas gelindert werden konnte, so war es da-
    durch, daß Aristobulos Ursiclos die Ursache dafür bildete.
    Sie gewann dadurch das Recht, ihm, dem großen Schurken,
    ihre Meinung zu sagen und sein Haupt mit Verwünschun-
    gen zu bedecken. Daran ließ sie es denn auch nicht fehlen.
    Die Brüder Melvill wären schlecht angekommen, wenn sie
    ihn hätten verteidigen wollen. Nein, es war fast notwendig
    gewesen, daß das Boot mit dem Tölpel, an den man in je-
    nem Augenblick gar nicht dachte, gerade denjenigen Punkt
    am Horizont einnehmen mußte, wo er ihn in dem Augen-
    blick bedeckte, an dem die Sonne ihren letzten leuchten-
    den Strahl aussandte. Das waren Dinge, die jede Verzeihung
    ausschlossen.
    Es versteht sich von selbst, daß Aristobulos Ursiclos, der
    sich zur Entschuldigung obendrein erlaubt hatte, über die
    ganze Geschichte mit dem Grünen Strahl zu spötteln, nach
    dieser zornerfüllten Predigt wieder nach der Schaluppe ent-
    flohen war, um nach Oban zu gelangen. Er handelte damit
    sehr weise, denn höchstwahrscheinlich hätte man ihm doch
    keinen Platz in der Kalesche angeboten, nicht einmal den
    dahinter schwebenden Dienersitz.
    Zweimal schon war der Sonnenuntergang also un-
    ter Umständen vor sich gegangen, die es gestattet hätten,
    das ersehnte Phänomen zu beobachten, und zweimal hatte
    sich das begierige Auge von Miss Campbell den glühen-
    den Liebkosungen des Gestirns ausgesetzt, von denen sie
    als Nachwehen mehrere Stunden lang eine deutliche Stö-
    rung der Sehfähigkeit davontrug. Zuerst hatte die Rettung
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    Olivier Sinclairs und heute das Vorüberkommen Aristobu-
    los Ursiclos’ ihr die günstige Gelegenheit geraubt, die viel-
    leicht in langer Zeit nicht wiederkehrte. Freilich waren die
    Begleitumstände in den beiden Fällen nicht dieselben ge-
    wesen, und so sehr Miss Campbell den einen entschuldigte,
    ebensosehr zürnte sie dem anderen. Wer könnte sie deshalb
    der Parteilichkeit zeihen?
    Am folgenden Morgen ging Olivier Sinclair, etwas in Ge-
    danken versunken, am Strand spazieren.
    Wer war dieser Mr. Aristobulos Ursiclos? Ein Verwand-
    ter von Miss Campbell und der Brüder Melvill oder nur ein
    Freund von ihnen? Auf jeden Fall stand er mit der Familie
    auf vertrautem Fuß; das bewies schon die Art und Weise,
    wie Miss Campbell sich hatte gehenlassen, als sie ihm seine
    Ungeschicktheit vorwarf. Doch was ging ihn, Olivier Sin-
    clair, das überhaupt an? Wollte er wissen, woran er war,
    brauchte er ja nur Bruder Sam oder Bruder Sib zu fragen;
    aber gerade das verbot er sich selbst und tat es auch wirk-
    lich nicht.
    Die Gelegenheit dazu fehlte ihm natürlich nicht.
    Jeden Tag begegnete Olivier Sinclair den Brüdern Mel-
    vill, die entweder zusammen spazierengingen – wer hätte
    sich überhaupt schmeicheln können, je einen von ihnen al-
    lein gesehen zu haben? – oder von ihrer Nichte begleitet
    wurden, am Ufer des Meeres. Man plauderte von Tausen-
    derlei und besonders vom Wetter, was im vorliegenden Fall
    durchaus keine Ausflucht war, etwas zu sprechen, ohne et-
    was zu sagen. Würde es noch einmal einen so klaren Abend

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    geben, wie man einen erwartete, um wieder auf die Insel Seil
    zu fahren? Daran konnte man vielleicht zweifeln. Seit den
    tadellos schönen Tagen des 2. und des 14. August zeigte der
    Himmel fortwährend ein ungewisses Aussehen, mit Regen-
    wolken, gelegentlichem Wetterleuchten und abendlichen
    Nebeln – mit allen Unarten, die einen jungen Astronomen
    zur Verzweiflung gebracht hätten, wenn er, am Objektivglas
    seines Fernrohrs sitzend, einen Bruchteil der Himmelskarte
    hätte durchmustern wollen.
    Warum sollten wir nicht zugestehen, daß der junge Ma-
    ler sich jetzt ebenso wie Miss Campbell von dem Grünen
    Strahl hatte einnehmen lassen? Er ritt genau dasselbe Ste-
    ckenpferd wie das junge Mädchen; er ergab sich dieser
    Phantasie mit nicht weniger Eifer, um nicht zu sagen, mit
    nicht weniger Ungeduld wie seine junge Gefährtin. Oh, er
    war kein

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