Der Grüne Strahl
sprechen. Endlich entfuhren ih-
rem Mund die Worte:
»Mr. Ursiclos, Sie hätten auch besser getan, nicht gerade
zur rechten Zeit zu kommen, um eine Dummheit zu bege-
hen.«
12. KAPITEL
Neue Pläne
Die Rückfahrt nach Oban erfolgte unter weit weniger ange-
nehmen Umständen, als die Fahrt zur Insel Seil. Man hatte
geglaubt, einem Erfolg entgegenzugehen und kam von ei-
nem Mißerfolg zurück.
Wenn die Enttäuschung, die Miss Campbell empfand,
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durch irgend etwas gelindert werden konnte, so war es da-
durch, daß Aristobulos Ursiclos die Ursache dafür bildete.
Sie gewann dadurch das Recht, ihm, dem großen Schurken,
ihre Meinung zu sagen und sein Haupt mit Verwünschun-
gen zu bedecken. Daran ließ sie es denn auch nicht fehlen.
Die Brüder Melvill wären schlecht angekommen, wenn sie
ihn hätten verteidigen wollen. Nein, es war fast notwendig
gewesen, daß das Boot mit dem Tölpel, an den man in je-
nem Augenblick gar nicht dachte, gerade denjenigen Punkt
am Horizont einnehmen mußte, wo er ihn in dem Augen-
blick bedeckte, an dem die Sonne ihren letzten leuchten-
den Strahl aussandte. Das waren Dinge, die jede Verzeihung
ausschlossen.
Es versteht sich von selbst, daß Aristobulos Ursiclos, der
sich zur Entschuldigung obendrein erlaubt hatte, über die
ganze Geschichte mit dem Grünen Strahl zu spötteln, nach
dieser zornerfüllten Predigt wieder nach der Schaluppe ent-
flohen war, um nach Oban zu gelangen. Er handelte damit
sehr weise, denn höchstwahrscheinlich hätte man ihm doch
keinen Platz in der Kalesche angeboten, nicht einmal den
dahinter schwebenden Dienersitz.
Zweimal schon war der Sonnenuntergang also un-
ter Umständen vor sich gegangen, die es gestattet hätten,
das ersehnte Phänomen zu beobachten, und zweimal hatte
sich das begierige Auge von Miss Campbell den glühen-
den Liebkosungen des Gestirns ausgesetzt, von denen sie
als Nachwehen mehrere Stunden lang eine deutliche Stö-
rung der Sehfähigkeit davontrug. Zuerst hatte die Rettung
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Olivier Sinclairs und heute das Vorüberkommen Aristobu-
los Ursiclos’ ihr die günstige Gelegenheit geraubt, die viel-
leicht in langer Zeit nicht wiederkehrte. Freilich waren die
Begleitumstände in den beiden Fällen nicht dieselben ge-
wesen, und so sehr Miss Campbell den einen entschuldigte,
ebensosehr zürnte sie dem anderen. Wer könnte sie deshalb
der Parteilichkeit zeihen?
Am folgenden Morgen ging Olivier Sinclair, etwas in Ge-
danken versunken, am Strand spazieren.
Wer war dieser Mr. Aristobulos Ursiclos? Ein Verwand-
ter von Miss Campbell und der Brüder Melvill oder nur ein
Freund von ihnen? Auf jeden Fall stand er mit der Familie
auf vertrautem Fuß; das bewies schon die Art und Weise,
wie Miss Campbell sich hatte gehenlassen, als sie ihm seine
Ungeschicktheit vorwarf. Doch was ging ihn, Olivier Sin-
clair, das überhaupt an? Wollte er wissen, woran er war,
brauchte er ja nur Bruder Sam oder Bruder Sib zu fragen;
aber gerade das verbot er sich selbst und tat es auch wirk-
lich nicht.
Die Gelegenheit dazu fehlte ihm natürlich nicht.
Jeden Tag begegnete Olivier Sinclair den Brüdern Mel-
vill, die entweder zusammen spazierengingen – wer hätte
sich überhaupt schmeicheln können, je einen von ihnen al-
lein gesehen zu haben? – oder von ihrer Nichte begleitet
wurden, am Ufer des Meeres. Man plauderte von Tausen-
derlei und besonders vom Wetter, was im vorliegenden Fall
durchaus keine Ausflucht war, etwas zu sprechen, ohne et-
was zu sagen. Würde es noch einmal einen so klaren Abend
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geben, wie man einen erwartete, um wieder auf die Insel Seil
zu fahren? Daran konnte man vielleicht zweifeln. Seit den
tadellos schönen Tagen des 2. und des 14. August zeigte der
Himmel fortwährend ein ungewisses Aussehen, mit Regen-
wolken, gelegentlichem Wetterleuchten und abendlichen
Nebeln – mit allen Unarten, die einen jungen Astronomen
zur Verzweiflung gebracht hätten, wenn er, am Objektivglas
seines Fernrohrs sitzend, einen Bruchteil der Himmelskarte
hätte durchmustern wollen.
Warum sollten wir nicht zugestehen, daß der junge Ma-
ler sich jetzt ebenso wie Miss Campbell von dem Grünen
Strahl hatte einnehmen lassen? Er ritt genau dasselbe Ste-
ckenpferd wie das junge Mädchen; er ergab sich dieser
Phantasie mit nicht weniger Eifer, um nicht zu sagen, mit
nicht weniger Ungeduld wie seine junge Gefährtin. Oh, er
war kein
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