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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Münsterschen Regimenter lagern in Oerlinghausen«,
erklärte Rullmann und stopfte sich ein Tuch in den Ärmel, um die Blutung zu stillen.
»Wir kommen von Vahrenholz und entkamen nur mit Mühe einer Vorhut Galens.«
    »Also sind wir ihnen
ausgeliefert. Unsere Truppen stehen zur Unterstützung des Reichsheeres gegen
den französischen König Ludwig  XIV . am
Oberrhein.«
    »So ist es,
Bürgermeister. Landeshauptmann Flörke obliegt die Verteidigung des gesamten
lippischen Raumes, aber er kann sich nur auf die unerfahrenen Landesmilizen
stützen. Obwohl selbst die Bauern mit Mistforken zur Verteidigung bereitstehen,
haben die Ersten angesichts eines solchen Ansturmes bereits die Flinten ins
Korn geworfen und das Weite gesucht.« Kuckuck tupfte sich umständlich mit einem
Seidentuch den Schweiß vom Gesicht. Als ein typischer Emporkömmling hatte er es
bis in den Rat geschafft, stand aber immer noch auf sehr wackligen Füßen. Für
Cothmann war er bestenfalls ein Lakai, viel zu naiv. An den ihm an
Skrupellosigkeit ebenbürtigen Barthold Krieger würde Flörke voraussichtlich
niemals heranreichen.
    »Aus Euren Worten
schließe ich, dass Bischof von Galen bereits vor den Toren Lemgos steht?«
Nachdenklich blickte Cothmann einer Fliege nach, die sich über eine Pfütze Wein
hermachte und anschließend torkelnd über den Rand des Tisches krabbelte. »Das
wirft natürlich meine Pläne um«, murmelte er.
    »Hier, dies sollen
wir Euch überreichen, Euer Ehren. Die Depesche haben wir von einem Kurier des
Bischofs erhalten.« Kuckuck lüftete den Dreispitz und reichte dem Bürgermeister
ein versiegeltes Pergament.
    Rasch erbrach
Cothmann das Siegel und überflog die mit ungelenker Schrift abgefasste
Aufforderung. Mit jedem Satz verfinsterte sich sein Gesicht und schwoll die
Zornesader über der Nasenwurzel stärker an. Seine Kaumuskeln bewegten sich
nervös, er atmete schwer. Es entstand eine ungewohnte Stille. Lediglich das
Klappern der Teller, während sie der Wirt mit dampfenden Speisen füllte, war zu
hören. Zum Schluss verlor der Bürgermeister die Beherrschung, schleuderte das
Papier zornesrot auf den Boden und fegte wutentbrannt mit dem Ärmel Geschirr
vom Tisch.
    »Bernhard von Galen,
dir werd ich helfen!«, brüllte er zum Erstaunen von Rullmann und Kuckuck, die
erschrocken aufgesprungen waren, und breitete hastig die Flurkarte von Lemgo
vor ihnen aus. »Dieser Schelm will, dass ich ihm Lemgo ausliefere. Er maßt sich
sogar an, mir drei Tage Bedenkzeit zu geben, dann will er die Stadt stürmen!«
    Die Gesichter der
Ratsherren wechselten die Farbe. »Aber wir sind nicht in der Lage, uns gegen
eine solche Übermacht zu verteidigen«, bemerkte Rullmann.
    »Keine Angst, meine
Herren, so schnell geben wir nicht auf.« Cothmann hatte sich wieder beruhigt.
»Räume Er den Dreck hier wieder weg!«, befahl er dem Wirt, dann beugte er sich
über die Karte und zeichnete mit der Fingerspitze langsam die Landesgrenzen
nach. Die Augen der Ratsherren folgten seinen Bewegungen gespannt. »Soviel mir
aus guter Quelle bekannt ist, hat Graf Simon vor, das Leibregiment des Herzogs
von Braunschweig für den Winter bei sich aufzunehmen. Wir werden noch heute
Nacht einen Kurier zum Grafen Simon schicken. Wenn er es ermöglicht, dass der
Obrist von Haxthausen eher mit seinen Truppen eintrifft, haben wir eine Chance.
Bis dahin werden wir die Stadt mit allem, was uns zur Verfügung steht,
verteidigen, und wenn uns dieser Kampf das Leben kostet.«
    Rullmann öffnete den
Mund zu einer Frage, doch Krieger kam ihm zuvor. »Ihr seid ein mutiger Mann,
Landrat«, bemerkte er. Der listige Verwaltungsbeamte und enge Vertraute
Cothmanns hatte sich bisher zurückgehalten, war aber dem Disput aufmerksam
gefolgt. »Aber wen gedenkt Ihr, zum Grafen zu schicken? Bernard von Galens
Truppen sind bereits überall. Der Bote müsste schon sehr geschickt vorgehen, um
Schloss Brake unbeschadet zu erreichen.«
    Cothmann grinste
zuversichtlich und legte gelassen die Karte zusammen. Dann zog er sich die
Schale mit der Schweinskeule heran, die wie ein Igel mit kleinen Gurken
gespickt war. Mit spitzen Fingern zog er eine aus dem Fleisch und schob sie
sich in den Mund. »Köstlich«, murmelte er und kaute eine Weile auf ihr herum,
bevor er schluckte. Dann wischte er sich mit dem Tuch über die Lippen und sagte
langsam, um die Spannung zu erhöhen: »Ich weiß, wen ich mit diesem Auftrag
betrauen werde.« Er beobachtete ihre Gesichter und schob sich ein Stück
Weizenbrot

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