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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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zwischen die Zähne. »Den Barbier Hermann Hermessen!«
    »Aber der Chirurgus
besitzt nach unserem Wissen noch kein Bürgerrecht«, warf Krieger überrascht
ein. »Er hat grade erst die Rampendahlsche Marien geehelicht, und man munkelt,
sie gehe vielleicht schon in guter Hoffnung. Er wird sich weigern.«
    »Das lasst nur meine
Sorge sein. Er wird reiten, darauf gebe ich Euch mein Wort, meine Herren!« Mit
einem Mal veränderte sich Cothmann. Er wurde aschfahl im Gesicht und begann zu
schwanken. Seine Finger suchten nach einem Halt. Als sie sich um die Tischkante
krallten, stöhnte er kaum hörbar auf, zog sein Taschentuch aus dem Rock und
betupfte sich die feuchte Stirn.
    »Was ist mit Euch,
mein Herr? Ist Euch das Gürkchen nicht bekommen?« Kuckuck war besorgt
herbeigeeilt.
    Cothmann
beantwortete seine Frage mit Schweigen, glättete stattdessen das zerknüllte
Taschentuch und faltete es umständlich wieder zusammen. Ratlos tauschte Kuckuck
einen Blick mit Krieger, als sich Cothmann wieder in den Griff bekam.
    »Mir deucht, Ihr
habt Fieber, Herr Landrat? Soll ich Euren Leibarzt rufen lassen?«, fragte
Krieger.
    »Dummes Geschwätz!
Ich habe nur zu viel Wein getrunken.« Er spürte, wie das Unwohlsein
zurückkehrte, wollte sich aber die Blöße einer weiteren Schwäche vor den
Ratsherren nicht geben. Steif erhob er sich und starrte wie abwesend in ihre
Gesichter. Dann inszenierte er eine leichte Verbeugung und schwenkte das
Barett. »Ihr entschuldigt mich, meine Herren. Ich habe noch etwas
Unaufschiebbares auf dem Rathaus zu erledigen.« Er machte auf dem Absatz kehrt
und schritt in aufrechter Haltung zur Tür. Hinter sich ließ er die erstaunten
Ratsherren zurück.
    Vor dem Wirtshaus
sog Cothmann tief die kalte Abendluft ein. Sie tat gut und beruhigte seinen
rebellierenden Magen. Müde hob er den Arm und winkte den Kutscher heran. Erst
als er sicher in den Wagenpolstern saß, gestattete er sich, in sich
zusammenzusacken. Langsam und mit ungelenken Bewegungen zog er die Perücke vom
Kopf.
    »So ein Luder!«,
grunzte er und betastete mit der rechten Hand vorsichtig die Wunde am
Hinterkopf. Sie fühlte sich noch immer geschwollen und heiß an. Als er die
Fingerspitzen betrachtete, klebte blutiger Schorf daran. Vor Hass und der
Gewissheit darüber, dass sie an der Blöße schuld war, die er sich eben gegeben
hatte, verzog sich sein Gesicht. »Warte nur, du Rampendahlsche Hexe! Ich werde
dich noch kriegen. Wenn nicht heute, dann eben morgen.«
    Ärgerlich beugte er
sich zum Fenster hinaus und befahl dem Kutscher auf dem Bock: »Fahre Er beim
Leibarzt vorbei, Kutscher!«
    Die Pferde zogen
ruckartig an. Vor Kälte schlugen seine Zähne aufeinander, während sein Leib von
einer Hitzewelle geschüttelt wurde. Fahrig suchte seine Hand nach dem Pelz, und
als er endlich das weiche Hermelin zwischen den Fingern spürte, kroch er tief
in das Fell. Krieger hatte recht. Er hatte Fieber.
    Vor dem Tor
erklangen Geräusche, als schlug jemand gegen das Holz.
    »Schieb den Riegel
zurück. Das ist Hermann!«, rief Cordt dem Knecht zu. Er stand auf einer
Holzbank und hämmerte von innen Holzbalken an die Fenster. Maria und Margaretha
stemmten sich kräftig gegen die Rückseite eines mit großen Fässern beladenen
Wagens und schoben ihn gemeinsam mit Anton vor das große Eingangstor. Alle
weiteren Türen und Ausgänge hatten sie bereits mit Holzbalken und anderen
Fahrzeugen verbarrikadiert.
    »Das hätten wir
geschafft!« Anton spuckte in die Hände und griff nach einer Axt, als der Riegel
quietschend nachgab und Hermann hastig durch das Tor trat. Schnell schob er den
Riegel wieder vor und kroch unter der Deichsel hindurch. »Hier kommt so schnell
keiner von Galens Männern herein. Selbst das gräfliche Schloss in Brake ist
nicht besser gesichert.« Er grinste, doch als er Marias Gesicht erblickte,
wurde er sofort wieder ernst. »Du sollst doch nicht so schwer arbeiten!«,
mahnte er sie und fasste sie um die Hüfte, während er ihr die Lippen mit einem
heißen Kuss verschloss.
    »Catharina
Margaretha wird es mir verzeihen. So lernt sie gleich das wahre Leben kennen«,
lächelte Maria.
    »Margaretha? Ein
schöner Name – wenn es denn ein Mädchen wird.« Hermann lächelte und strich
zärtlich über die Stelle unter der Schürze, an der man schon bald eine kleine
Wölbung bemerken würde. »Aber so sicher, wie du dir bist, wird es wohl eines –
und unsere Tochter wird gewiss genauso schön werden wie meine hübsche
Schwägerin.« Er

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