Der Henker von Lemgo
zwinkerte Margaretha zu, die Anton gerade einen Krug mit Bier
reichte und dabei mit ihm schäkerte.
»Nun, sag es deinem
Bruder ruhig, damit er es nur ja nicht vergisst! Und vielleicht denkt er ja
auch beizeiten dran, dass ich bei Blattgerstes Hochzeit der Braut den Schleier
abtanzen werde und er mich dann eigentlich bitten dürfte, seine Frau zu
werden.« Übermütig küsste sie Anton auf die Wange und zwinkerte Hermann
glücklich zurück.
Doch ihrem Schwager
war nicht nach Frohsinn zumute. Das Lachen auf seinem Gesicht verschwand, und
seine Züge verfinsterten sich. Besorgt wandte er sich wieder Maria zu, die sich
zärtlich an seine Schulter schmiegte. Wehmütig strich er ihr mit der Hand über
das Haar und küsste dann sanft ihre Augen: »Möge Gott seine Hände über uns
halten, damit Margaretha eine glückliche Braut wird und unser Kind im Frieden
seine Taufe erhält.« Maria entdeckte Tränen in seinen Augen. »Ich komme vom
Bürgermeister mit sehr schlechten Nachrichten.«
»Was wollte der
Hurensohn von dir zu so später Stunde?«, donnerte Cordt von der Holzbank und
unterbrach seine Arbeit. Besorgt kletterte er von der Bank und winkte Hermann
zu dem letzten noch frei stehenden Tisch neben dem Kamin. Dann rief er nach
Catharina, die gerade den Küchenteil mit Hilfe der Mägde sicherte. »Bring uns
allen Bier und etwas zum Beißen. Wir haben es uns verdient! Maria, hilf deiner
Mutter.«
Maria konnte sich
nur schwer von Hermann lösen. Er gab ihr einen Klaps auf das Hinterteil und
flüsterte ihr zu: »Du kommst doch gleich wieder? Ich will dich keinen einzigen
Moment missen.« Er ließ sich schwerfällig neben Cordt nieder und schob die
langen Beine unter den Tisch. »Ich war ebenso erstaunt wie du über das Ansinnen
des Bürgermeisters. Immerhin dachte ich, dass er mich kaum kennt. Aber ich
sollte bald eines Besseren belehrt werden.«
Höflich rückte er
zur Seite, als Maria mit einer Holzterrine erschien und Brot und Speck vor ihm
absetzte. Er zog sie zu sich herunter in seinen Arm. Als Catharina gleich
darauf mit einer duftenden Fleischpastete aus der Küche kam, gesellten sich
auch Margaretha und Anton mit an den Tisch.
Catharina hatte
Hermanns Worte in der Küche mitbekommen. Ihre runden, heiteren Züge wirkten
jetzt bekümmert. Sorgenvoll ließ sie ihren Blick über die Köpfe hinwegwandern,
bis er an Hermann hängen blieb.
»Nun, Schwiegersohn,
stärke dich erst einmal«, forderte sie ihn auf. »Wer weiß, ob uns der Herrgott
dieses Vergnügen noch lange erlaubt. Wenn Bernard von Galen uns in einen Krieg
verstrickt, werden wir den Gürtel enger schnallen müssen.« Vorsichtig stellte
sie die Schüssel in die Mitte des Tisches.
»Was soll das
Gejammer, Frau? Wir haben auch den letzten großen Krieg heil überstanden. Da
wird uns Galen doch jetzt nicht einschüchtern, eher kriegt der mächtig eins auf
den Wanst. Darauf kannst du dich verlassen«, knurrte Cordt. »Wenn nicht von
uns, dann mit Sicherheit von dem lieben Herrgott.« Zur Bekräftigung seiner
Worte schlug er sich auf den Bauch, der mit einem lauten Kollern antwortete.
»Wirst du wohl die Schnauze halten«, grinste er und langte als Erster nach der
Pastete. Catharina schlug ihm mit dem Löffel auf die Finger, bis er sie murrend
wieder zurückzog.
»Versündige dich
nicht, Mann. Zuerst das Tischgebet«, mahnte sie ihn und bekreuzigte sich.
»Weiber!«, knurrte
er beleidigt, erhob sich aber gehorsam und faltete die Hände vor der Brust. Mit
einem letzten hungrigen Blick auf die Pastete senkte er den Kopf. »Komm, Herr,
und segne, was du uns bescheret hast«, murmelte er, dann stürzte er sich auf
das größte Stück und schob es sich in den Mund.
Nachdem eine Weile
Stille geherrscht und nur die Löffel geklappert hatten, sagte Hermann mit
vollem Mund: »Cothmann befiehlt mir, für Lemgo als Kurier zu fungieren. Noch
heute Nacht soll ich nach Detmold reiten und dem Grafen eine Depesche
überbringen.«
Die Neuigkeit schlug
ein wie eine Kanonenkugel. Cordt knallte seine Faust auf den Tisch und brüllte:
»Das sieht dem hohen Herrn doch wieder einmal ähnlich! Da steckt doch sicher
eine seiner Gemeinheiten gegen uns dahinter!«
Catharina hatte
leise aufgeschrien, und während Anton und Margaretha sprachlos Blicke
tauschten, würgte Maria vor Schreck an ihrer Pastete. Als sie sie
hinuntergeschluckt hatte, rief sie: »Alles, nur das nicht! Nur ich kann der
Anlass für diesen sinnlosen Befehl sein. Dieser Teufel will Hermann in den
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