Der Henker von Lemgo
glaube ich
nicht, denn der Bürgermeister hat im Moment weitaus größere Sorgen als die
Verfolgung einer Hexe. Aber natürlich kann ich mich auch täuschen, deshalb
stelle ich meine Frau unter deinen Schutz, Anton, bis ich wieder zurückgekehrt
bin.«
»Du gehst davon aus,
dass ich dich allein durch die feindlichen Truppen reiten lasse?« Anton griff
nach dem Wanderstab an der Wand und schnallte ihn sich um. »Wir waren noch nie
getrennt, auch nicht in der Not. Du wirst dein Eheweib noch einmal dem Schutz
seines Vaters unterstellen müssen. Der Deche verfügt über Bärenkräfte und wird
in der Not mit einem ganzen Regiment fertig. Außerdem ist sein Haus sicher wie
eine Festung. Ist es nicht so, baldiger Schwiegervater?« Er griff sich lächelnd
an den Hals, um an die Würgemale zu erinnern, die ihm Cordt bei ihrer ersten
Begegnung beigebracht hatte.
Der Brauer war
geschmeichelt. Längst war ihm klar, dass Cothmann irgendeine Intrige spann und
Hermann mit der Hoffnung auf die Reise schickte, dass ihm auf dem Rückweg etwas
zustieße. Er begrüßte es, dass Anton seinen Bruder begleiten wollte. Zwei
Männer konnten sich besser wehren als einer.
»Gut, meine Söhne,
dann reitet gemeinsam. Meinen Segen habt ihr. Ich bin noch allemal fähig, meine
Familie mit der bloßen Faust zu verteidigen. Außerdem steht mir ein Dutzend
Knechte von meiner Figur zur Seite. Gott beschütze euch!«
Tröstend hielt
Margaretha die Schwester im Arm. Seit Hermann sich verabschiedet hatte, hatte
sich Maria verändert. Schon den zweiten Tag lief sie ziellos durch das Haus und
brach, sobald jemand seinen Namen auch nur erwähnte, in Tränen aus. Als der
Knecht am Morgen vom Nachbarn mit der Nachricht zurückkam, dass der Bischof mit
einer Horde plündernder Truppen die Neue Straße passiert hatte und alles, was
sich ihnen entgegenstellte, dem Erdboden gleichmachte, vermochte Margaretha
Maria nur mit Mühe davon abzubringen, Hermann entgegenzureiten. Mit der Forke
hatte sie die tobende Schwester zurückhalten müssen, damit diese das Tor nicht
mit Gewalt öffnete. Jetzt lag sie in ihren Armen und weinte, dass die Balken
sich bogen.
»Sie kommen bestimmt
zurück, Maria. Der Herr wird unsere Gebete erhören. Wir müssen nur fleißig das
Gespräch mit ihm suchen.«
»Beten, immer wieder
beten!« Maria hob das verweinte Gesicht. »Wenn der Herr dem kriegerischen
Gemetzel eines Bischofs so tatenlos zusieht, wie kannst du dann daran glauben,
dass er unsere Gebete erhört?« Empört stieß sie ihre Schwester von sich. »Wie
kannst du nur so ruhig bleiben, Margaretha? Hermann und Anton sind bereits die
zweite Nacht unterwegs und noch immer nicht mit einer Antwort zurück. Morgen
wird Bischof von Galen im Rathaus einmarschieren und Cothmann erschießen.«
»Und darüber
solltest du dich freuen! So bist du endlich vor seinen Nachstellungen sicher.«
Margaretha war beleidigt. »Erinnere dich daran, dass nicht nur du um einen Mann
bangst!« Wie in Kindertagen stampfte sie zornig mit dem Fuß auf. »Warum dreht
sich eigentlich immer alles nur um dich?«
Augenblicklich
verstummte Maria und blickte der Schwester ins Gesicht. Erst jetzt bemerkte
sie, dass auch in ihren Augen Tränen schimmerten, und sie bereute ihre
Unbeherrschtheit. »Oh, wie recht du hast, Margaretha! Verzeih mir meine
Unbesonnenheit. Bei all meinem Herzleid habe ich vergessen, dass auch du um
deinen Liebsten weinst. Komm an mein Herz!«
Um Verzeihung
bittend, breitete sie die Arme aus und zog die Schwester an ihre Brust. In dem
Augenblick gellte Catharinas Schrei vom Fensterausguck aus der oberen Kammer:
»Vater kommt vom Rathaus zurück!«
Vor Freude über die
Nachricht vergaßen sie ihren Kummer und stürzten beide gleichzeitig die Treppe
hinauf, doch Catharina fing sie mit besorgter Miene am Treppenabsatz ab. »Ich
habe mich geirrt, Kinder. Es ist nur die Kutsche des Stadtsekretärs Barthold
Krieger gewesen. Was kann er nur von uns wollen? Vater wird doch nichts
passiert sein?«
Margaretha witterte
die Gefahr. Leichenblass ergriff sie Marias Hände. »Krieger ist Cothmanns
rechte Hand. Er kommt, um dich zu denunzieren. Es war doch eine Falle. Was
machen wir jetzt?«
»Nichts!« Maria
schien plötzlich wie verwandelt. Der Zorn auf Cothmann hatte ihren Widerstand
geweckt. »Klug ist er, der hohe Herr Richter, und verschlagen noch dazu. Meinen
Ehemann schickt er in den Tod, und meinen Vater beruft er zu einer Ratssitzung
auf das Rathaus, um mich in der Zwischenzeit seelenruhig
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