Der Henker von Lemgo
in den Hexenturm zu
sperren. Aber ich werde ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen!«
Entschlossen schob
sie Margaretha zur Seite und rannte an der verblüfften Catharina vorbei zum
Fenster. Ein kurzer Blick durch die Ritzen der Holzbohlen genügte, um zu
begreifen, wie ernst ihre Lage war. Der Mann mit dem Dreispitz über der gelockten
Perücke und den farbigen Strümpfen war unverkennbar Krieger. Marias Herz wollte
zerspringen, als sie sah, wie er auf das geschlossene Tor zusteuerte und zwei
weiteren Wachen winkte. Sie waren dem Ratsherrn verpflichtet zu öffnen.
»Die Knechte werden
uns beschützen. Habe keine Angst, Tochter. Wenn wir es ihnen nicht befehlen,
werden sie das Tor auch nicht öffnen.« Catharina war hinter die Tochter
getreten und versuchte, sie zu beruhigen.
»Nicht, Mutter!«
Maria kletterte behände vom Tisch, den der Vater zusätzlich vor das Fenster
geschoben hatte. Mit todernstem Ausdruck ergriff sie Catharina bei den
Schultern und blickte ihr fest in die Augen. »Ihr werdet Euch für mich nicht in
Gefahr bringen. Befiehlt dem Knecht ruhig, das Tor zu öffnen, aber haltet ihn
noch etwas hin, damit ich über das Hinterhaus durch den Garten fliehen kann.
Ich will nur rasch einen Laib Brot mit etwas Speck und Käse in einen Beutel
packen.«
»Aber Kind, wo
willst du denn hin?« Catharina schlug erschrocken die Hände vors Gesicht.
»Das weiß ich nicht,
aber ich komme wieder. Doch solange der Ratsherr und seine Büttel nach mir
suchen, muss ich mich irgendwo verstecken, wo sie mich nicht finden«, versuchte
Maria die Mutter zu besänftigen.
Vergeblich.
Catharina sank in ihren Armen zusammen und wimmerte: »Das überstehe ich nicht!«
»Du stellst dir das
so einfach vor, Schwester.« Margaretha stützte nun ebenfalls die Mutter. »Wir
stehen kurz vor einer Belagerung. Wenn du Galens Mannen in die Hände fällst,
wirst du dir wünschen, nie geboren worden zu sein. Sie werden über dich
herfallen wie eine Horde räudiger Hunde. Dann sei lieber gleich dem Bastard
Cothmann zu Willen. Bei ihm kommst du noch eher unbeschadet weg.«
Fäuste hämmerten
dumpf gegen das schwere Tor. »Soll ich öffnen, Herrin, oder sollen wir die
Eindringlinge verjagen?«, rief der Knecht aus der Diele.
»Warte noch einen
Moment, Klaus!«
Margaretha zog die
Mutter in ihre Arme und tröstete sie. »Ihr werdet Maria nicht halten können,
Mutter. Sie ist ebenso stur wie der Vater. Wenn sie sich erst etwas in den Kopf
gesetzt hat, dann hält sie niemand davon ab.«
»Es geht Cothmann
längst nicht mehr nur um den Besitz meines Körpers. Ich habe ihn schwer
verletzt, und diese Schmach wird er nicht auf sich sitzen lassen. Es ist
ratsamer, wenn ich mich bei guten Nachbarn verberge, bis Hermann zurückkommt.«
»Aber all unsere
guten Nachbarn sind als Hexen verurteilt worden«, klammerte sich Catharina
verzweifelt an ihren Rock.
»Es muss sein.«
Energisch schob Maria ihre Mutter zur Seite und tauschte mit Margaretha einen
langen Blick. »Tröste sie«, wies sie sie an und rannte die Treppe hinunter in
die Küche. Hastig nahm sie ein Brot vom Regal, vom Kamin eine Speckseite,
teilte mit einem Messer das Stück in mehrere kleine Teile, dann riss sie ein
Tuch aus dem Wandschrank und knotete daraus ein Bündel, in das sie alles
stopfte.
Margaretha war ihr
gefolgt. »Maria, ich wüsste niemanden, der uns noch zugetan ist.«
»Aber ich kenne
einen guten Freund, bei dem mich kein Büttel vermuten würde.« Das Gesicht unter
einem Schal verborgen, eine Pelerine gegen die Kälte über den Schultern und mit
dem Bündel in der Hand, stand sie vor der jüngeren Schwester, die wie gelähmt
ihre Handgriffe verfolgt hatte und ihr jetzt den Weg versperrte. Das Hämmern am
Eingang ging in einen dumpfen Trommelwirbel über. »Öffnet das Tor, oder ich
lasse es gewaltsam öffnen!«, rief Krieger erbost.
»Wenn Vater im Haus
wäre, würde sich das der Schelm nicht erlauben«, zischte Maria. »Und du,
Schwester, mach jetzt Platz!« Rasch küsste sie Margaretha auf den Mund. »Lass
den Teufel nicht länger vor der verschlossenen Tür warten und hab keine Furcht.
Richte dem Vater aus, ich komme bald wieder.«
Plötzlich dämmerte
es Margaretha. »Ist es Meister David, zu dem du willst?«, fragte sie leise.
Doch Maria rannte bereits zur Tür hinaus und nahm den Weg durch die Backstube,
an deren Rückwand eine kleine Holztür in den Garten führte.
Meister David
»… der Teuffel möchte das Handwerck holen!«
Ein schwerer
süßlicher
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