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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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für seine Zwecke benutzen lasst, hat Euer
Eheweib bei mir Schutz vor den Cothmannen und Galens Horden gefunden. Sie
gehört jetzt mir.«
    Hermann wusste mit
den Worten nichts anzufangen, bemerkte nur, dass der Scharfrichter stark
betrunken war. Aber die Anschuldigung hatte ihn wütend gemacht. Heißblütig, wie
er war, zog er den Degen und forderte ihn. Doch genau das war Davids Absicht
gewesen. Der aufgestaute Ärger musste sich entladen, und da kam Hermann ihm
gerade recht. Also hatten sie aufeinander eingeschlagen, David lachend, Hermann
verzweifelt und wütend. Letztlich trennten plündernde Soldaten die beiden
Haudegen, die anschließend Schulter an Schulter gegen die Feinde um ihr Leben
fochten. Galens Leute waren schon fast alle in die Flucht geschlagen, da traf
Hermann eine verirrte Kugel in der Schulter, und er brach blutend zusammen.
Zuerst wollte David den Nebenbuhler liegen lassen, doch dann gab seine Liebe zu
Maria den entscheidenden Ausschlag. Er warf sich den Nebenbuhler über die
Schultern und brachte ihn, indem er ihn mit seinem eigenen Körper schützte, durch
die feindlichen Linien zu ihr in die Scharfrichterei. In diesem Zustand hatte
Maria Hermann aus seinen Armen empfangen.
    Ihr Ziel war ein
Fachwerkhaus, das reich mit Schnitzwerk verziert war und am anderen Ende der
Gasse lag. Durch die dunklen Wolken warf der Mond sein silbernes Licht voraus
und leuchtete ihr. Vor fast jeder Hausstätte liefen Hunde oder Schweine umher,
aus dem einen oder anderen Hausinnern erklangen Stimmen und zeugten davon, dass
die Nachbarn den Abend gemeinsam bei Bier und Branntwein ausgehen ließen. Nur
im Hause Blattgerste war es seltsam still. Lediglich die Blätter der Birke vor
ihm raschelten leise zu den sanften Klängen des Windes. Beherzt betätigte Maria
den eisernen Türklopfer, doch als sich nichts im Haus rührte, drückte sie mit
den Händen gegen das schwere Tor. Quietschend gab es nach.
    Sie nahm allen Mut
zusammen und steckte den Kopf durch die Tür. »Ist jemand im Haus? Ich bringe
die Medizin!«
    Als sich nichts
regte und es auf der Diele still blieb, fasste sie sich ein Herz und trat ein.
Obwohl sie nur ein einziges Mal zur Hochzeit in dem Haus gewesen war, konnte
sie sich noch vage daran erinnern, dass die Stuben im Obergeschoss lagen.
    Sie zögerte, machte
unschlüssig einen Schritt nach vorn ins Dunkel. Ihr Herz klopfte vor Angst,
doch ihre Neugierde war stärker. Mutig tastete sie sich mit den Händen am Kamin
und am Tisch vorbei zum Treppengeländer, bis ihre Fußspitze die erste Stufe
berührte. Die Holzdiele unter ihr knarrte. Schnell zog sie den Fuß wieder
zurück und horchte in die Dunkelheit. Ein paar aufgeschreckte Mäuse piepsten,
dann war es wieder ruhig.
    »Du bist eine
Närrin, Maria«, murmelte sie erleichtert und stieg entschlossen die Treppe
hinauf. Doch mit jeder Stufe, die sie erklomm, wuchs auch die Angst. Ein Gefühl
sagte ihr, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Plötzlich bereute
sie es, allein gekommen zu sein, und wollte gerade wieder umkehren, als sie mit
einem Mal hinter der ersten Stubentür Geräusche vernahm. Neugierig legte sie
das Ohr an das Holz und lauschte. Schritte schlurften über den Boden, dann
glaubte sie, ein lang gezogenes Klagen zu vernehmen und zwischendurch die
Stimme der Maria Blattgerste.
    Beim Gedanken an
ihre Feindin verzog sie angewidert das Gesicht und beschloss, die Medizin nur
vor die Tür zu stellen. Da ertönten aus dem Raum gurgelnde Würgegeräusche.
Offenbar stand es um den Kaufmann Blattgerste sehr schlecht. Entschlossen
drückte sie die Klinke hinunter und trat ein.
    Für einen Moment
musste Maria sich an die veränderte Umgebung gewöhnen, dann glaubte sie, ihren
Augen nicht zu trauen. Sie befand sich mitten in der Hölle.
    »Hexensabbat!«,
entfuhr es ihr, als sie entgeistert auf das offen lodernde Feuer im Kamin und
auf die unzähligen flackernden Talglichter an den Wänden blickte. In der Mitte
des Raumes lag Hermann Blattgerste ausgestreckt auf einem Bett. Er war
splitternackt, seine Hände waren an die gedrechselten Bettpfosten gefesselt,
und über dem Kopfende stand seine Ehefrau Maria und ließ aus einem Trichter
eine dickflüssige grüne Brühe in seinen Mund laufen. Der hilflose Blattgerste
hatte gerade seinen Darm entleert, es stank wie beim Höllenfürsten selbst.
    »Was geht hier
vor?«, fragte Maria entsetzt. Jetzt hatte sie auch noch den ausgeweideten Hahn
entdeckt, der, ans Bett genagelt, vor ihr sein Leben

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