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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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erwartet und rollte hastig das lederne Treppchen
hinab. Katzbuckelnd reichte er Cothmann den Arm.
    Verwundert blickte
ihm Catharina hinterher. Als sie sah, wie der Bürgermeister den Fuß anhob und
sich anschickte, in die Kutsche zu steigen, atmete sie befreit auf, doch die
Freude wehrte nicht lange: Auf dem oberen Treppenabsatz verharrte er plötzlich.
Catharina hielt die Luft an. Unendlich erschienen ihr die wenigen Sekunden seines
Zögerns. Schon lange trug der Bürgermeister nur noch tiefschwarze Kleidung.
Selbst die Perücke und die Federn am Barett hatten nun die Farbe des Todes. Er
war das lebendige Abbild Luzifers, als er mit dem Rücken zu ihr in die Kutsche
starrte.
    Dann kam Bewegung in
den schwarzen Mann. Langsam drehte er sich noch einmal um, und der Blick seiner
kalten Augen glitt gleichgültig über die Köpfe seiner Vasallen hinweg, so als
weilte er längst in einer anderen Welt.
    Er schien
nachzudenken. Plötzlich hob er den Arm und wies mit ausgestrecktem Finger auf
das Tor.
    »Legt an, Männer«,
befahl er schrill, »und holt mir die Rampendahl heraus. Ich weiß, dass sie im
Hause ist, und will sie umgehend auf dem Rathaus sehen. Bei Widerstand
verschont niemanden!«
    Erschrocken schrie
Margaretha auf, als sie die Flinten auf sich gerichtet sah, und flüchtete sich
in Catharinas Arme. Ihre Mutter schob sie hastig hinter ihre breiten Röcke und
kreischte hysterisch, aber mit dem Mut eines Mannes: »Knechte, haut ihnen eins
in die Fresse, dass es ihnen auf ewig vergehe, ehrbare Leute auf dem Sonntag zu
denunzieren! Schlagt ihnen die Schädel ein!«
    Die Männer stürzten
an ihr vorbei und schwangen die Mistgabeln. Ein wildes Handgemenge entstand.
Staub wirbelte auf, Fäuste prallten aufeinander, die Männer keuchten, und
wildes Geschrei durchbrach die Stille der Straße.
    Catharina schubste
Margaretha zurück in die Diele und zog rasch das Tor ins Schloss, als sich
Cothmanns Kutsche langsam in Bewegung setzte. Da ertönte plötzlich ein Schuss.
Inmitten des Kampfgetümmels brach einer von Catharinas Knechten blutend
zusammen. Dann krachte es ein zweites und ein drittes Mal, und plötzlich
erblickten sie die schwarze Kutsche, die Ilsabein vor sich her trieb. Ihre
Röcke und ihr Haar flatterten im Wind. In ihrer Not wollte sie sich unter einen
Erker retten, doch die wendigen Rappen waren schneller. Die Kutsche schoss
polternd an ihr vorbei, und Margaretha sah, wie Cothmann sich aus dem Fenster
beugte und mit der Reitpeitsche nach ihr schlug. Erneut erzitterte die Luft von
einer Salve, dann kippte Ilsabein mitten im Laufen vornüber und stürzte mit dem
Gesicht auf die Straße. Zusammengekrümmt blieb sie reglos hinter der haltenden
Kutsche liegen.
    »Ilsabeiiiin!«
Margarethas Schrei gellte durch das Haus. Mit weit aufgerissenen Augen brauchte
sie einen Moment, um die Situation zu realisieren, bevor wieder Leben in ihren
Körper kam. Sie raufte sich die Haare und riss mit den Fingern an der
Seidenspitze des Mieders. Sie brüllte vor Schmerz und flehte den Herrgott um Vergebung
an, dann rannte sie mit aufgelösten Haaren an der vor Schreck gelähmten Mutter
vorbei auf die Straße und auf die Kutsche zu.
    »Du vermaledeiter
Hurensohn! Komm heraus aus deiner Kutsche, du räudiger Hund, damit ich dir den
Garaus machen kann!«, schrie sie wie von Sinnen. Die Rappen scheuten und
tänzelten nervös, und Cothmann hob erneut die Peitsche, als Margaretha es sich
plötzlich anders überlegte, zurücklief und sich aufheulend über die Schwester
warf.
    Momente später stand
der Bürgermeister über ihr. Er packte Ilsabein am roten Schopf, zog daran,
betrachtete ihr Gesicht und ließ den Kopf dann enttäuscht wieder zurück in den
Schmutz fallen.
    Als er sich
ungerührt abwandte, klammerte sich Margaretha verzweifelt an seine Beine.
»Warum?«, brüllte sie. »Was hat sie Euch getan?«
    »Ihr wolltet mich
hintergehen, verdammte Hexen!«, fauchte er und trat nach ihr. »Das wird euch
noch teuer zu stehen kommen.«
    Vor Schmerz grub ihm
Margaretha ihre Zähne in die hagere Wade. Cothmann entfuhr ein leiser
Schmerzenslaut. Während er sie abzuschütteln versuchte, zielte er mit dem
freien Fuß nach ihrem Leib. »Das hier ist für dich, du Hexe«, zischte er. Dann
rief er dem Stadtdiener, der auf einen Befehl von ihm wartete, zu: »Das ist die
Falsche!«
    Einen Augenblick
lang weidete sich Cothmann an ihrem Anblick, sah nachdenklich auf Margaretha
hinab, die sich mit schmerzverzerrten Zügen neben Ilsabein krümmte.

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