Der Henker von Lemgo
werde!«
»Vaaater!
Anton!« Margaretha hämmerte mit den Fäusten an das schwere Holztor. Der Riegel
klapperte, und der Balken wurde aus dem Eisen geschoben. Die verrosteten Eisen
quietschten und kreischten wie Vaters alte Maischpfanne. Voller Ungeduld warf
sich die junge Frau gegen das Tor. Die Angst um die verwundete Ilsabein in der
Kutsche verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Als das Tor einen Spalt breit den Blick
in die Diele freigab, schob sie sich hastig an dem verdutzt dreinblickenden
Knecht vorbei.
»Vaaater!«, rief sie
noch lauter und suchte verzweifelt in dem niedrigen, von Ruß geschwärzten und
Ausdünstungen geschwängerten Raum nach Cordt. Schwere Balken aus dunklem Holz
stützten das niedrige Fachwerk und versperrten ihr den Weg zum Kamin. An einem
der belebten Holztische war ihr Rufen gehört worden. Ein stämmiger Mann erhob
sich und nahm in dem grauen Dunst rasch Konturen an. Mit schweren Schritten kam
er auf sie zu.
»Margaretha, was
führt dich hierher?«, fragte er mit vom Bier schwerer Zunge.
Sie erkannte den
Vater und stürzte mit einem Aufschrei in seine Arme. »Maria, Vater! Die
Cothmannen haben auf Ilsabein geschossen, Maria gefangen genommen und alles
verwüstet! Ihr müsst sie retten!«, stammelte sie und begann verzweifelt zu
schluchzen, während Anton, der nun hinter Cordt auftauchte, mitfühlend zu ihr
trat und sie zu trösten versuchte. »Verschnaufe erst einmal, Liebste«, bat er
sie und strich ihr beruhigend über das Haar, während er sie sanft zu der
Holzbank am Kamin zog.
Weiß wie eine
Kalkwand ließ sich Margaretha willig zu dem Platz führen, wo ihr Cordt einen
Krug Bier reichte und sie aufforderte: »Trink einen Schluck, Tochter, und
berichte uns, was vorgefallen ist.« Langsam begann sie sich zu beruhigen. Das
mit Branntwein vermischte Bier verfehlte seine Wirkung nicht. Warm brannte das
gelbe Gesöff in ihrer Kehle, und in ihre hübschen Wangen kehrte langsam etwas
Farbe zurück. Neugierig waren der Hausherr Ratsherr Bentzeler und die Taufgäste
näher gerückt, begierig darauf zu erfahren, was ihr zugestoßen war.
»Verzeiht mir,
Vater«, richtete sie mühsam das Wort an Cordt und hielt den Krug mit Bier noch
zwischen den Händen, »aber ich habe die Pferde selbst gelenkt, um Euch so
schnell als möglich die unheilvolle Nachricht selbst zu überbringen.«
Cordt wurde blass.
»Sprich schon, Tochter, was ist geschehen?«
Antons Hände
begannen leicht zu zittern, während er beruhigend ihren Nacken massierte und
sie auf den Scheitel küsste. Dankbar sah sie zu ihm hinauf und quälte sich, als
sie die Sorge in seinen Augen gewahrte, ein Lächeln ab: »Um mich musst du dir
keine Gedanken machen, mein Liebster. Ich lebe und bin gesund. Gott hat mich
wohlbehalten in deine Arme zurückgeführt«, beruhigte sie ihn, bekreuzigte sich
aber im gleichen Augenblick und schickte seufzend einen Blick zum Gebälk.
»Doch Vater, Euch
wird es das Herz zerreißen! Der ehrenwerte Richter
Cothmann und sein Kammerdiener Simon Müller haben Eure Abwesenheit genutzt, um
Maria in ihre Gewalt zu bringen. Der Hohe Rat hat vor, sie öffentlich als Hexe
anzuklagen. Sie wurde in ihrem Haus überwältigt und in den Turm gebracht. Als
wir Cothmann von ihrer Verfolgung abzuhalten versuchten, hat er auf Ilsabein
geschossen!« Beim Gedanken an die Schwester begann sie wieder heftig zu weinen.
Cordt war wie vom
Donner gerührt. Vor Verblüffung lief ihm das Bier aus dem Mundwinkel, bevor er
aufbrüllte wie ein Bär. Sein Gesicht wurde weiß wie eine frisch gekalkte Wand.
»Mein Kind! Oh, Herr im Himmel, wenn du jetzt auf uns herabschaust: Warum lässt
du so etwas nur zu? Ich werde diesen Mistkerl zwischen meinen Fingern
zerquetschen. Ich spieße ihn auf wie ein Schwein! Wo ist er, der Hurensohn?«
Anton spürte, dass
sein Schwiegervater weinte, und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Ist sie tot?«, fragte er mit belegter Stimme und zog Margaretha in seine Arme.
»Sie liegt schwer
verletzt draußen in der Kutsche.«
»Was?«
Hermann hatte etwas
zu viel über den Durst getrunken und am Tisch seinen Rausch ausgeschlafen. Doch
als Marias Name gefallen war, war er aufgewacht und torkelte jetzt benommen
näher. Mit den Ellbogen schob er die sie neugierig umstehenden Leute zur Seite
und schlang tröstend die Arme um die Schultern seines Schwiegervaters. Der
Deche stand über den Tisch gebeugt. Seine Schultern zuckten, sein Atem ging
schwer. Er wirkte grau und müde, und seine Stimme
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