Der Henker von Lemgo
Kammerrats. So bin
ich für Cothmann zu einem ernst zu nehmenden Gegner geworden.« In seinen Worten
schwang unüberhörbarer Stolz mit. »Leider ist es noch nicht an der Zeit, meinen
wahren Namen preiszugeben«, bedauerte er zugleich. »Meinem Freund und
Studienkollegen Roleman bin ich zu Dank verpflichtet, dass er den Handel mit
mir einging. Die Gefangennahme Eurer Tochter, so traurig sie ist, stellt für
mich eine Gottesfügung dar. Sie wird meinen Racheplan beschleunigen.«
»Aber was können wir
jetzt für Marias Rettung tun?« Ungeduldig hing Hermann an seinen Lippen.
Der Himmel hatte
sich verdunkelt, und der aufkommende kalte Märzsturm rüttelte an den
Außenwänden der Kutsche. Äste polterten auf das Dach, und die Gardinen
flatterten in ihrer Halterung. Laut ließ der Kutscher die Peitsche über die
breiten Rücken der Pferde klatschen, die sich in die Riemen legten.
»Als Erstes müssen
wir herausfinden, wessen die hohen Herren beider Räte Maria anklagen, ob
Teufelsbuhlschaft oder Zauberei.«
Die Kutsche ächzte
wie ein altes schwindsüchtiges Weib.
»Werfen sie ihr
beides vor, so bedeutet das unweigerlich ihr Todesurteil. Dann haben wir keine
Chance, etwas zu ihrer Verteidigung zu unternehmen. Lautet die Anklage hingegen
nur auf Zauberei, so können wir ein Gnadengesuch beim Reichskammergericht und
der Universität Rinteln einreichen. Vielleicht lassen sich die Fakultäten ja
auch auf eine Untersuchung mit Hilfe der Wasserprobe ein, obwohl ich von diesem
aufwendigen Spektakel abrate, da es für den Delinquenten letztendlich noch
niemals einen Vorteil gebracht hat.«
»Mir scheint, Ihr
seid gut über die Gefangennahme meiner Ehefrau informiert, hoher Herr?«
»Formulieren wir es
einmal so: Ich habe seit geraumer Zeit Cothmanns Vorhaben auf das Genaueste
verfolgt. Mir ist bekannt, dass das Gerücht um Euer Eheweib durch den Fall
Blattgerste wieder in das öffentliche Interesse gerückt ist und dass Maria
Blattgerste durch ihre Selbstbezichtigung Euer Eheweib Maria schwer belastet
hat. Inzwischen ist der Rat in Hexendingen etwas vorsichtiger geworden, nachdem
immer lautere Proteste aus der Bürgerschaft und den Zünften an die gräfliche landesherrliche
Regierung und das Reichskammergericht herangetragen wurden. Beiden Instanzen
ist es peinlich, ständig gegen den Vorwurf unrechtmäßiger Hexenverfolgungen
ankämpfen zu müssen, außerdem ist ihnen sehr wohl das blutdürstige Gemüt
unseres unbarmherzigen Richters und Bürgermeisters Cothmann bekannt. Darin sehe
ich einen großen Vorteil für Euer Eheweib. Leider hat die Blattgerste, die ja
bekanntlich zu Cothmanns Huren gehört hat, die Herren beider Räte letztendlich
vor die Aufgabe gestellt, dem Fall nachzugehen. Sie ist derzeitig die
Hauptbelastungszeugin Eures Eheweibes.«
»Aber Maria ist
unschuldig! Sie ist keine Hexe. Das kann ich beschwören!« Mit geballten Fäusten
und Tränen der Wut in den Augen starrte Hermann durch das Fenster der Kutsche
auf die Straße. Im Galopp näherten sie sich dem Rathaus.
»Werden die hohen
Herren mir wenigstens gestatten, mein geliebtes Eheweib zu sehen?« Er hatte
sich wieder dem Advokaten zugewandt.
Kleinsorge alias
Roleman tupfte sich mit dem Taschentuch die verlaufene Schminke vom Gesicht.
Mit gerunzelten Brauen pustete er in die Straußenfedern seines Baretts. »Man
wird Euch erst nach der Ratssitzung am morgigen Tag gestatten, sie zu sehen.
Aber verzagt nicht und begeht keinen Fehler, meine Herren. Ich werde alle
notwendigen Schritte zu Marias Freilassung einleiten. Vorausgesetzt natürlich,
ihr wird nicht auch noch Unzucht angelastet. Ich möchte Euch nicht zu nahe
treten, Hermann Hermessen. Maria ist Euch sicher jederzeit ein treu sorgendes
Eheweib gewesen, aber im Rat munkelt man von einer seltsamen Beziehung zu
unserem Nachrichter David Claussen.«
»Ich werde jeden vor
meine Degenspitze fordern, der auch nur angehend Derartiges über Maria
behauptet!« Entrüstet war Hermann aufgesprungen und prompt mit dem Kopf gegen
das harte Leder des Kutschendaches gestoßen. Er massierte sich den Schädel,
während Cordt ihn beschwichtigend in die Polster zurückdrückte.
»Beruhige dich,
Hermann! In dieser Angelegenheit habe ich als Ratsmann ja auch noch ein
Wörtchen mitzureden. Eine solche Anklage basiert lediglich auf haltlosen
Gerüchten, die wahrscheinlich vom Richter Cothmann selbst unter das Volk
gestreut worden sind. Ich kenne meine Tochter, schließlich habe ich sie selbst
dazu erzogen, die
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