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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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nicht nur auf der Folter bekräftigt, sondern
es auch den beiden Predigern auf der Neustadt zu St. Marien bekannt, dass
sie bei allem, was sie der Obrigkeit gesagt, leben und sterben wolle.«
    Barthold Krieger
holte tief Luft, dann beugte er sich weit nach vorn über die Kanzel und nahm
Maria streng in Augenschein. Je länger er sie ansah, umso unbehaglicher fühlte
sie sich. Lüstern hingen seine Augen an ihr und forschten lauernd nach etwaigen
Anzeichen des Leibhaftigen. Im Saal herrschte andächtige Stille. »Wie wollt
Ihr, Ehefrau des Barbiers Hermann Hermessen, diese Anschuldigung entkräften?«
    Maria erschrak und
schickte leise ein Gebet zum Himmel. Gehorsam hob sie den Kopf und richtete die
Augen auf Krieger, blickte aber trotzig durch ihn hindurch. Die letzte Nacht
hatte sie im Gemäuer des Turms verbracht. Auch wenn die Büttel es ihr bis dahin
an nichts hatten fehlen lassen, sehnte sie sich doch nach ihrem Haus, ihrem
Ehemann und den Kindern. Die Angst, Letzteren könnte vielleicht etwas passiert
sein, machte sie fast wahnsinnig. Wo nur der Vater blieb? Ungeduldig wich sie
Kriegers Blick aus und sah erneut zur Tür in, der Hoffnung, dass endlich
Ratsherr Rampendahl eintreten und die Anschuldigungen gegen seine Tochter Lügen
strafen würde. Auf die Frage schwieg sie beharrlich. Unter normalen Umständen
hätte sie das Gesicht des Stadtsekretärs als angenehm empfunden. Sein markantes
Profil verriet Spuren väterlichen Interesses, zumindest aber wirkte er
lebendiger als die anwesenden Ratsmänner, weil er ungeschminkt war und eine
gesunde Bräune seinen Zügen Natürlichkeit verlieh. Der verächtliche Zug um
seine Mundwinkel und die seelenlosen blauen Augen schreckten sie dennoch ab.
    Krieger wurde
ungeduldig. Seine Finger trommelten leise auf die Tischplatte. Plötzlich hob er
die Stimme. »Maria Rampendahl, seid Ihr gesinnt, in Güte die Wahrheit zu sagen,
oder müssen wir dieselbe durch die Schärfe von Euch erforschen?«, mahnte er sie
eindringlich.
    Er hatte sich
drohend aufgerichtet und die Hände auf dem Tisch aufgestützt. Sein Blick
durchbohrte sie wie die Spitze eines Degens. Sie ahnte, dass er es ihr nicht
leicht machen würde, wenn sie nicht bald redete.
    »Ohne meinen Vater
sage ich kein Wort«, erwiderte sie, um Zeit zu gewinnen. »Ich erkenne die hohen
Herren Rullmann, Hans Koch und Reineking, aber wo ist mein Vater? Ich kann ihn
nirgends entdecken.«
    »Euer Herr Vater hat
keine Einladung zu dieser außerordentlichen Sitzung erhalten.«
    Erstaunt hob Maria
die Brauen und trat nun mutig einen Schritt nach vorn. Der Ausschluss des
Vaters ließ sie die wahren Absichten der hohen Herren erahnen. Wütend vergaß
sie die Gefahr und entgegnete: »Fürchten die Herren etwa meinen Vater? Könnte
er Euch auf diese absurden Anschuldigungen vielleicht etwas entgegnen, was Eure
Ohren nicht vertragen? Oder welcher Art sind die Gründe, weshalb mein Vater an
diesem an den Haaren herbeigezogenen Prozess nicht teilnehmen darf?« Stolz
richtete sie sich auf. »Glaubt ja nicht, Ihr Herren, dass mein Vater dies alles
als gegeben hinnehmen wird. In Euren Augen sehe ich jetzt schon die Furcht vor
der Macht der Zünfte!«
    Verächtlich spuckte
sie vor sich auf den Boden. Vor ihr saßen ein paar alte Männer und ein kranker
Bürgermeister, der bisher noch kein Wort gesagt hatte und stattdessen mit
fiebrigem Blick gelangweilt in einem Buch herumblätterte. Jetzt hob er sein
Gesicht und bedachte sie mit einem seltsamen Blick.
    »Hurensohn!«,
zischte sie verhalten. Die Knechte vernahmen es und grinsten. »Der Teufel hole
mich, wenn ich zaubern kann. Mit der Blattgerste habe ich überhaupt nichts
gemein«, begann sie sich zu rechtfertigen. »Sie ist eine infame Lügnerin! Aber
Ihr, Bürgermeister, Ihr habt mich grundlos und unter Gewalt hierhergebracht und
die Barbierstube meines Ehemannes Hermann Hermessen zerstört!«
    »So?« Cothmann
quälte sich ein Grinsen ab, das zu einer Grimasse geriet. Sein Zustand ließ
keine Gefühlsregung mehr zu. Schwerfällig beugte er sich zu Krieger und
murmelte etwas hinter vorgehaltener Hand.
    Der Stadtsekretär
schien zu überlegen und entrollte dann umständlich ein Pergament. »Dann werde
ich Euch einmal die Bekenntnisse Eurer Komplizin vorlesen. Sie entstammen dem
Inquisitionsprotokoll und entsprechen allesamt der Wahrheit. Doch zunächst zum
Vorwurf der gewaltsamen Gefangennahme: Wir, die Herren beider Räte, haben dem
Kammerdiener Simon Müller anbefohlen, Euch, Maria

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