Der Henker von Lemgo
ließ
seine Wangen und seine Augen leuchten.
»Oh, mein Freund,
wenn ich Euch doch immer so sehen könnte!«, entfuhr es Krieger, der über die
Verwandlung staunte. »Wenn die Hexe so viel Macht über Euch besitzt, dann kann
sie den schleichenden Tod, den sie Euch vor Jahren angehext hat, doch gewiss
wieder von Eurer Seele nehmen. Jetzt habt Ihr die Möglichkeit, Euch dieses
Körpers zu bemächtigen. Um ihr Leben zu retten, wird sie Euch mit Sicherheit zu
Willen sein.«
Cothmann verdrehte
lüstern die Augen. »Vielleicht habt Ihr recht, mein Freund. Es soll auch Hexen
geben, die einem Mann den Saft des Lebens wieder einhauchen, den sie ihm zuvor
genommen haben.«
In diesem Moment
wurde die Tür weit aufgerissen, und Cordt trat, gefolgt von Hermann und dem
Advokaten, über die Schwelle. Auf Cothmanns blasser Stirn bildete sich eine
tiefe Unmutsfalte. Er bedachte Marias Vater mit einem ungnädigen Blick. Mit dem
Ratsmann hatte er nicht gerechnet.
»Was soll der
Überfall, Deche? Fasst Euch kurz. Wir sind in Eile.« Hermann bedachte er
lediglich mit einem abschätzigen Blick und demonstrierte dem Barbier damit
seine Überlegenheit. Der reiche Emporkömmling interessierte ihn nicht. Noch
nicht. Klugerweise verbeugte sich Hermann stumm und überließ ansonsten dem
Schwiegervater das Wort, der ohne große Umstände wutschnaubend auf sein Ziel
zusteuerte.
»Wieso wurde ich
nicht zur Ratssitzung geladen, Bürgermeister? Ihr wisst sehr wohl, dass Ihr
ohne die Anwesenheit der Meinheiten keinen Hexenprozess anstreben dürft! Und
wieso konntet Ihr meine Tochter nicht freilassen?«
Dem Bürgermeister
war nichts mehr von der eben überwundenen Schwäche anzusehen. Er musterte den
Dechen. Quälende Minuten verstrichen. Cordt kannte Cothmann gut genug, um in
seinen Augen das kalte Glitzern der Macht und jene grausame Freude nicht zu
übersehen, die eine Katze empfinden muss, wenn sie mit einer wehrlosen Maus
spielt.
»Was erdreistet Ihr
Euch, Deche? Ihr, der Vater einer stadtbekannten Hexe, solltet dem Herrn dafür
danken, dass wir nicht Euch denunzieren, sondern stattdessen Eure verruchte
Tochter. Als Bürgermeister und Richter dieser Stadt enthebe ich Euch hiermit
für Eure Dreistigkeit aller Funktionen eines Ratsmannes und schließe Euch von
sämtlichen Anhörungen aus, welche die Hexe betreffen.«
Arrogant hielt der
Richter dem Blick des Ratsmannes stand und schnitt ihm mit seinem Verhalten
jedes weitere Wort ab. Seine undurchdringliche Miene ließ keinen Widerspruch
zu. Auch die Verstärkung durch einen Advokaten war ein Schachzug, den er sehr
wohl erkannt hatte, dennoch änderte es nichts daran, dass er es ablehnte, noch
irgendein Wort an den Vater einer Hexe zu verschwenden. Es gab angenehmere
Dinge. Ohne sich weiter um die nun einsetzende allgemeine Verwirrung zu
kümmern, gab er Krieger das Zeichen zum Aufbruch und schritt aufrecht zur Tür.
Verblüfft und
sprachlos über die unerwartete Abfuhr, starrte Cordt dem Bürgermeister
hinterher. Dann zog er die buschigen Brauen hoch und holte tief Luft.
Vorsichtshalber trat der Advokat von hinten an ihn heran und legte ihm
beruhigend die Hand auf die Schulter. Leise flüsterte er ihm ins Ohr: »Keine
Unüberlegtheiten jetzt, Cordt. Lasst mich das übernehmen.«
Doch der Deche
schüttelte die Hand des Advokaten wie eine lästige Fliege ab. Er konnte die
Demütigung nicht auf sich sitzen lassen. Aufbrausend brüllte er hinter dem
Infamen her: »Ihr werdet an anderer Stelle von mir hören, Richter Cothmann! Die
ganze Stadt pfeift es doch schon von den Dächern, dass es Euch bei dem Prozess
nicht um meine Tochter, sondern um den Besitz der Hermessens geht. Und auf dem
Wege dahin haben Eure gierigen Hände auch nichts dagegen, gleich noch den
Besitz der Rampendahls zu vereinnahmen. Aber Eure Rechnung geht nicht auf.
Unser Besitz wird Euren Reichtum nicht mehren. Sollte es zur Anklage gegen
meine Tochter kommen, dann steht Ihr der gesamten Familie Rampendahl gegenüber.
Wir werden keinen Taler scheuen, den Prozess zu verhindern und Eure
Machenschaften aufzudecken!«
Ein verächtlicher
Blick traf Cordt. »Eure Beschuldigungen gegen den Rat und meine Person sind mir
bestens bekannt. Mein Vetter Diedrich hinterbrachte sie mir bereits aus
Bentzelers Haus, wo Ihr wieder einmal lautstark gegen uns revoltiertet.«
Damit sah der
Richter die Angelegenheit endgültig als beendet an. Entschlossen drückte er die
schwere Türklinke nach unten, verharrte dann aber im Türrahmen, als sei
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