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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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»Soweit mir bekannt ist, gehören beide
Herren zu Euren ganz persönlichen Gegnern?«
    Der Barbier hatte
sein aufrichtiges Mitleid. Selten war Kleinsorge bisher auf einen Mann
getroffen, der ihm so schnell so sympathisch geworden war wie dieser Hermessen.
Obwohl in den ehrlichen Augen Trauer, Angst und Sorge um sein Eheweib lagen,
spürte er doch die Energie, die von ihm ausging. Dieser Mann würde ohne viele
Worte kämpfen und versuchen, das, was er angekündigt hatte, in die Tat
umzusetzen.
    »Dann werde ich vor
dem Turm ausharren, bis die Herren mich zu meinem Weib vorlassen. Notfalls
werde ich mir mit Gewalt Zugang verschaffen.«
    »Ich sehe, dass Ihr
zu allem entschlossen seid, Hermann Hermessen. Aber vergesst nicht Eure Kinder,
die übrigens bei mir in Speyer sicher aufgehoben sind. Und denkt bitte auch an
Euer eigenes Wohl. Vor allem aber unternehmt nichts, was Euch zu Schaden
gereichen könnte. Sollte es noch heute zur Verurteilung und gar zur peinlichen
Befragung kommen, werde ich, wie schon erwähnt, sofort ein Gnadengesuch an das
Reichskammergericht einreichen. Zunächst gedenke ich aber, noch heute Abend
Cothmann auf den Zahn zu fühlen. Euch möchte ich bitten, Euer Eheweib dazu
anzuhalten, ein Bittschreiben an ihn zu verfassen. Wenn das Gerücht stimmt, ist
Eure Maria die Ursache für seinen kränklichen Zustand.«
    Hermann reichte dem
Vogt dankbar die Hand. »Ich vertraue der Unschuld meines geliebten Weibes und
danke Euch für Euren Rat.«
    Für den Bruchteil
einer Sekunde hielten sie im Handschlag inne. Ihre Blicke trafen sich, dann
wurde Hermann von Cordt abgelenkt, der mit einem gesattelten Beipferd an der
Hand auf einem stämmigen Braunen auf ihn zugetrabt kam. »He, Schwiegersohn!«,
rief er schon von Weitem. »Sitz auf! Jetzt zeigen wir es dem Hurensohn von
einem Richter. Er soll nicht glauben, dass er die Rampendahls unterschätzen
darf.«
    »Du kannst dein
Schicksal immer noch zum Guten wenden, Maria. Sei mir nur ein einziges Mal zu
Willen! Bedenke, nicht nur dein Leben, sondern auch das Schicksal deiner
Familie liegt allein in deinen Händen. Du brauchst dich nur zu entscheiden«,
vernahm sie seine Worte in ihrem Rücken dicht an ihrem Ohr. Sein Atem war warm
und feucht, er roch nach Knoblauch, süßlichem Parfüm und ging stoßweise.
    Voller Ekel spürte
sie, wie sehr ihn die Vorstellung erregte, sie zu besitzen. Der Richter besaß
das Recht, sie zu beleidigen und ihre Ehre mit Füßen zu treten, doch genauso
durfte sie sich das Recht herausnehmen, ihn leiden zu lassen. Hier, zwischen
den Kerkermauern, konnte sie seinen Zudringlichkeiten nicht entrinnen und
musste es sich gefallen lassen, dass seine feuchten Hände an ihrer Taille
entlang unter ihren Rock glitten, wo sie ihre Schenkel kneteten. Die Knechte
tauschten untereinander obszöne Blicke und feixten lüstern. Dass sie seine
Berührungen bemerkt hatten, schien ihn zu noch größerem Wagemut anzuspornen.
    Voller Ekel presste
Maria die Lippen aufeinander und blickte stumm geradeaus, als sich seine kalten
Finger zwischen ihren Schenkeln vorantasteten. Mehr denn je hoffte sie auf den
erlösenden Beistand des Vaters. Immer und immer wieder hatte sie sich zur Tür
umgedreht, stets in der Hoffnung, dass seine vertraute Gestalt endlich in der Kerkertür
erscheinen würde.
    Nur widerwillig war
sie den Knechten in das Innere des Hexenturmes gefolgt, war jedoch nicht wie
erwartet in das Turmzimmer geführt worden, wo die Delinquenten untergebracht
wurden, welche die Freiheit alsbald wiedersehen würden. Stattdessen stießen sie
die Knechte tiefer in das undurchdringliche Gewölbe hinein und führten sie zu
einer Steintreppe, die in einem schmalen, dunklen Gang mündete. Roh wurde sie
die Stufen hinabgestoßen, und dumpf verklangen ihre Schritte in dem gruftähnlichen
Gewölbe.
    Aus Angst und
Verzweiflung hatte Maria jeden ihrer Schritte mitgezählt. Beim
einunddreißigsten endete der Gang. Es folgte ein noch tieferes Gewölbe, und ein
gebeugter Mann mit einem hohlwangigen, von einem zottligen Pelz umrahmten
Gesicht schloss sich ihnen an. Irgendetwas an der tierhaften Gestalt in den
viel zu großen Schuhen aus Hundefell kam ihr seltsam vertraut vor. Sie
versuchte sich den Mann ohne das Gefilz auf dem Kopf vorzustellen, das noch
Spuren hellblonder Farbe aufwies, und blickte sich heimlich nach ihm um. Maria
ahnte, dass dies der Kerkermeister des Verlieses sein musste, und als er sich
eine Haarsträhne zurückstrich und sie für den Bruchteil eines

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