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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Moments seine
Augen sah, war es ihr, als narrte sie ein teuflischer Spuk. Der Mann, der ihr
jetzt voranhumpelte, während sie mit den Knechten und gefolgt vom
Bürgermeister, dem Prediger und dem Stadtsekretär die Folterkammer betrat,
hatte die klaren blauen Augen ihres einstigen Gespielen Peter Grönspan.
    Tausende Gedanken
schwirrten ihr durch den Kopf, als die Tür mit sechs Schlössern aus Eisen
krachend und quietschend hinter ihr zufiel. Warum schickte ihr der Herrgott
gerade jetzt Visionen eines längst Totgeglaubten? Oder war es gar der Teufel,
der ihren Sinn verwirrte? Würde es nur bei der Gegenüberstellung bleiben, oder
würde man sie auch foltern? Und wie würde ihr David begegnen? Davor fürchtete
sie sich am meisten.
    Nur langsam
gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht des Raumes, der lediglich vom
lodernden Schmiedefeuer, den Fackeln an den Felswänden und zwei Talglichtern
erleuchtet wurde. Um sie herum gewahrte sie felsiges Gestein, an dem das
Schwitzwasser in kleinen Bächen hinablief. Es sammelte sich auf dem Boden in
schmutzig braunen Lachen. Gleich vorn, zu ihrer Rechten, stand ein Richtertisch
aus Eisen mit zwei Stühlen, alles in den Boden gemauert. Auf dem Tisch
verbreitete eines der beiden Talglichter trübes Licht. Die vom Fackelschein
schwach beleuchtete Wand neben ihm war ihr sofort aufgefallen. Mit weit
aufgerissenen Augen starrte sie auf die Reihe metallisch blinkender
Folterwerkzeuge aus Schrauben, Stacheln, Winden und anderen seltsamen Dingen.
Drohend erhellte der rotgoldene Feuerschein die Dornen, die messerscharfen
Spitzen und metallenen Hals- und Armreifen vor der Felswand.
    »Dies hier vor dir,
mein Kind, ist ein Streckbett, daneben hängt eine Streckleiter«, hauchte
Cothmann, immer noch dicht an ihrem Ohr. »An ihr wird die Hexe hochgezogen, bis
es ihr in den Gelenken knackt, sie sich aus den Knochen drehen und überall
abstehen. Lustig sieht das aus.«
    Mit mulmigem Gefühl
starrte Maria auf die schweren Steine und die Seile, die zu einer massiven
Eisenrolle an der Decke führten. Übelkeit überkam sie. Cothmann wollte sie
bewusst einschüchtern. Erneut spürte sie seine schweißnassen Finger, diesmal in
ihrer Halsbeuge. »Du kannst immer noch zurück, brauchst nur Ja zu sagen«,
hauchte er.
    »Ihr seid
impertinent, Richter«, fauchte sie dünn zurück und versuchte, das Zittern in
ihrer Stimme zu unterdrücken.
    Abrupt zog er seine
Hand zurück. »Wenn du es nicht anders willst, Hexe! Aber bedenke, dass ich noch
immer ein Strumpfband von dir besitze. Eine schwere Belastung für dich, selbst
wenn Hermann Blattgerstes Eheweib sich wider Erwarten verstockt zeigen sollte.
Überlege daher gut, was du tust.« Er wandte sich brüsk nach rechts zum Tisch.
Ohne sich weiter um sie zu kümmern, breitete er seine Protokolle auf der
Tischplatte aus, setzte sich und winkte Krieger heran. »Sagt Meister David
Bescheid, dass wir anfangen können.« In seiner Stimme schwang ein harter Klang
mit.
    Erst jetzt bemerkte
sie die Treppe hinter dem Richtertisch. Sie endete vor einer Maueröffnung, die
ihr schwarz entgegengähnte. Ein heftiges Zittern überkam sie, und sie konnte
nicht verhindern, dass ihr die Beine einknickten. Noch ein verzweifelter Blick
zu dem Folterknecht, der ihr den Rücken zukehrte und im Hintergrund hantierte,
dann spürte sie, wie eine Gänsehaut ihren Rücken überzog.
    In der Maueröffnung
stand David. Dem untersetzten Knecht an seiner Seite, der ein Weib in einem
Hemd aus grobem Leinen vor sich herschob, schenkte sie keinen Blick. Sie sah
nur David und suchte ängstlich sein Gesicht, doch die dunklen Augen hinter der
schmalen Ledermaske schienen durch sie hindurchzublicken.
    Gelassen, als zählte
er jeden Schritt, trat er an ihr vorbei zu den Folterwerkzeugen. Sie konnte den
Schweiß seines nackten muskulösen Oberkörpers riechen, als sie seine Armmuskeln
streiften. Blaue Adern, fein wie ein Netz, umspannten die Wölbungen unter der
braunen Haut, die in dem Gewölbe olivgrün schimmerte. Mit den behandschuhten
Fingern hielt er einen eisernen Trichter und einen Zuber mit Wasser. Seine
Handgelenke und die schmale Taille schützten schwere Gürtel aus Ochsenhaut.
    Enttäuscht bemerkte
sie, wie er dem Bürgermeister und dem Magister zum Gruß zunickte, sie aber
überging. War sie für ihn bereits nur noch eine Delinquentin, der er mit Hilfe
seiner grausamen Kunst ein Geständnis abpressen würde? Oder gar eine lästige
Begebenheit vergangener Tage? Sie erinnerte sich

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