Der Henker von Lemgo
verheißungsvollsten Bilder vor,
und sein Blick saugte sich lüstern am Objekt seiner Begierde fest. Er wurde
merklich nervöser, je mehr er der Vorstellung unterlag, sich jetzt mit ihr dem
Liebesspiel hinzugeben. Die wiegenden Hüften trieben ihm den kalten Schweiß aus
den Poren. Seine Hände zuckten unruhig, die Lust schoss in sein Glied und
brannte wie Feuer unter dem Faltenschoß. Vor Lust vergaß er, dass er
ursprünglich mit ehrbaren Absichten zu ihr gekommen war. Aber wie alle Weiber
war sie doch nur eine Hure, die ihn herausforderte. Er musste sie besitzen.
Jetzt gleich, hier auf dem Marktplatz. Am besten in seiner Kutsche!
In Gedanken angelte
er sich mit dem Degen eine Brezel vom Wagen, durch die er ihr seine geheimen
Wünsche mitteilen wollte. Dazu ließ er sich den saftigen Teig langsam und
genüsslich im Munde zergehen und fuhr sich immer wieder mit der Zunge um die
Mundwinkel. Maria beobachtete sein Tun aus den Augenwinkeln ungerührt.
Als er ihren Blick
bemerkte, presste er kauend zwischen den Zähnen hervor: »Es gelüstet mich danach,
mich jetzt und hier in zügelloser Gier mit dir zu wälzen, Jungfer. Ich will,
dass du schwaches Weib mich darum bittest.«
Entrüstet fuhr Maria
herum und blickte ihn wie von einem tödlichen Degenhieb getroffen an. Einen
Moment kämpfte sie gegen ihre Sprachlosigkeit an, dann beugte sie sich nahe zu
ihm über das Backwerk. Vor Empörung drohten ihre weißen Brüste aus dem
Miedereinsatz zu springen. Ekel erfasste sie, als sie seinen keuchenden Atem
spürte.
»Weiß de Baers
Tochter um Eure Gier, die Liebeswonnen mit mir zu genießen?«, zischte sie
angewidert in das geschminkte Gesicht. »Ich bin keine Hure. Wenn es Euch nicht
um ein ehrbares Angebot geht, so verlasst auf der Stelle meinen Stand, bevor
ich die Knechte rufe und Euch hinwegprügeln lasse!«
Ihr Ausbruch
ernüchterte ihn, doch er verstand geschickt, die gekränkte Eitelkeit mit Würde
zu überspielen. Sein Gesicht verriet keinerlei Regung, stattdessen betrachtete
er lächelnd die Rüschen seiner Hemdsärmel und entfernte dann umständlich ein
verirrtes Staubkorn.
»Ihr seid nicht auf
den Mund gefallen, Jungfer Maria, genau so hat man mir Euch geschildert. Doch
Ihr seid mir noch eine Revanche schuldig. Entsinnt Ihr Euch der Hinrichtung
Eures Hexenmeisters Beschoren? Überlegt Euch also Euer Verhalten gut. Es könnte
sein, dass Ihr Euren Sinn einmal ändern müsst und mich um die Freuden der Liebe
anfleht.«
»Mit Eurer Drohung
beeindruckt Ihr mich nicht im Geringsten, Landmann. Ich bin eine ehrbare
Jungfer, und Ihr habt vergessen, wessen Tochter Ihr beleidigt. Die Brezel
kostet übrigens zwei Groschen!«
Gleichmütig öffnete
er den Beutel, den er am Gürtel trug, und entnahm ihm einen Taler. Langsam, als
bräuchte er Zeit zum Überlegen, drehte er die Münze zwischen den Fingern hin
und her und schnappte, als sie nach der Münze griff, plötzlich nach ihrem
Handgelenk. Augenblicklich verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht, und Maria
sah sich ängstlich nach Hilfe um.
In diesem Moment
ertönte Margarethas Stimme neben ihr. »Maria, du sollst sofort zur Mutter
kommen. Die Nachbarin Catharina Böndel, Stockmeyers Frau, hat sie in ihr Haus
rufen lassen. Anscheinend benötigt die Mutter wieder einmal dein eifriges
Mundwerk zur Unterstützung.«
Margaretha ahnte
nicht, wie erleichtert Maria war, als Cothmann wütend ihr Handgelenk losließ
und nach seinen Knechten winkte. »Wir sind noch nicht fertig, Hexe!«, fauchte
er und verschwand zwischen den Buden und Ständen.
Einen Augenblick
später entdeckte Maria ihn in Begleitung seiner Knechte zwischen Speckseiten
und Würsten am Stand von Maria Vieregge. Die Knochenhauertochter nutzte sein
Auftauchen für einen Flirt. Als sie Marias Blicke bemerkte, hängte sie sich an
seinen Arm, warf ihre schwarze Mähne zurück und schickte einen triumphierenden
Blick in ihre Richtung.
»Was wollte der
Edelmann von dir?«, fragte Margaretha überrascht. Sie war noch ganz außer Atem
vom Laufen und trank hastig einen Schluck Milch.
»Der? Der ist kein
Edelmann, sondern ein Hurensohn«, murmelte Maria gedankenverloren, während sie
das Geschehen am Nachbarstand aus den Augenwinkeln verfolgte. »Ein schamloser
Verführer ist er, der Herr Rechtsgelehrte.«
»Der Landmann
Hermann Cothmann? Ich habe von ihm gehört. Zurzeit ist er der interessanteste
Mann in der Stadt, weil er als Sohn einer Hexe das Ruder der Macht ergreifen
will. Hat er sich in dich verliebt?
Weitere Kostenlose Bücher