Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
Vom Netzwerk:
einem Mühlrad gleichende Halskrause aus
gestärkter Spitze hinabhingen.
    »Also, Ihr habt ihr
beigewohnt?«
    Stockmeyer nickte
verschämt.
    »Wie oft?«
    »Immer dann, wenn
meine Frau in den Wochen ging.«
    Um Berners
geschminkte Mundwinkel zuckte es spöttisch. Gierig leckte er sich mit der Zunge
über die schmalen Lippen, während sich in seiner Vorstellung der Schreiner und
die Magd auf die schamloseste Weise aneinander vergingen. Er frohlockte, denn
wer im Alltagsleben die Ehe mit einer Kindsmörderin brach, der musste nach
seiner Auffassung wohl oder übel auch mit dem Teufel im Bunde sein. Damit
verging er sich gegen Gottes Gebot.
    Nachdenklich fasste
er Stockmeyer ins Auge und blätterte dann in den aufgezeichneten Befragungen
der Hebamme, der Waschfrau, Stockmeyers Frau und der Rullmannschen, die alle zu
dem Fall bereits auf das Rathaus zitiert und vor beiden Räten angehört worden
waren. Alle hatten sie beteuert, dass die Grete fleißig und ordentlich sei und
auch sonst nichts Ungebührliches über sie zu berichten war.
    »Ihr habt Euch mit
einer schweren Sünde belastet, Diedrich Stockmeyer«, stellte Berner näselnd
fest. »Aber ich will Gnade vor Recht ergehen lassen, wenn Ihr mir sagt, ob das
Gerücht stimmt, dass sie den Bastard in den Wehen getötet hat.«
    Der kräftige Mann
knetete aufgeregt das Barett in seinen feuchten Händen. »Das Teufelsweib hat
mich verführt, hoher Herr«, gestand er reumütig, »aber ich schwöre bei Gott,
unserem Herrn, dass sie nicht von mir guter Hoffnung war.«
    Berner überlegte.
Eine seiner Taktiken war, den teuflischen Buhlen so lange als möglich im
Ungewissen zu wiegen. Aber diese Anhörung zog sich schon viel zu lang hin. Er
gähnte herzhaft. Hunger und Müdigkeit machten sich allmählich bemerkbar. Zu
dumm, dass gerade jetzt beide Bürgermeister und die Hälfte des
hochherrschaftlichen Rates mit einer schweren Grippe im Bett daniederlagen und
alle Arbeit an ihm hängen blieb.
    Ungeduldig griff er
zur Glocke. Der schrille Ton hallte drei Mal von den Wölbungen des Ratssaales
wider, bevor sich die schwere Tür öffnete und ein Stadtdiener im Saal erschien.
    »Stadtdiener Halle,
hole Er mir den Landrat Cothmann und den Siegler.« Der Diener verbeugte sich
ergeben. »Ach ja, und wenn Er dem Meister David begegnet, sage Er ihm, er soll
ebenfalls in den Ratssaal kommen.«
    Bei der Erwähnung
des Scharfrichters wurde das wettergebräunte Gesicht Stockmeyers aschfahl.
»Aber ich schwöre Euch, hoher Herr, dass sie keines Kindes gewesen ist. Meine
Ehefrau und ich hätten es doch bemerken müssen«, beteuerte er seine Unschuld.
    »Die Rampendahlsche
und ihre Tochter behaupten etwas anderes. Und sie waren dabei, als die Reste
der Teufelsfrucht in Eurem Hause von der Hebamme beseitigt wurden. Sie schwören
bei Gott, es mit eigenen Augen gesehen zu haben. Vielleicht habt Ihr bei dem
Bastard der Grete ja sogar selbst mit Hand angelegt? Was sagt Ihr nun dazu,
Stockmeyer?«
    »Die
Rampendahlsche?« Der Zimmermeister wurde noch etwas blasser. »Aber jeder in der
Stadt weiß doch …«
    »Was weiß jeder in
der Stadt?« Berner beugte sich weit über den Schreibtisch. Schon zum zweiten
Mal putzte er die eingefassten Brillengläser, damit ihm auch keine Regung in
Stockmeyers Gesicht entging. »Sage Er jetzt die Wahrheit, Stockmeyer, oder
sollen wir dieselbe mit Schärfe erforschen?«
    In diesem Moment
betrat der Landrat in Begleitung des Scharfrichters und des Kämmerers den Saal.
Cothmann schwenkte ausladend sein Barett, sein Haupt schmückte eine dunkle,
löwenähnliche Allongeperücke. Er war in ein scharlachrotes Wams aus Samt
gehüllt und ließ das Hemd in der Taille und an den Handgelenken hervorschauen.
Sogar die Seidenstrümpfe unterhalb der knielangen Rockhose mit den
Spitzenvolants leuchteten in einem tiefen Rot. Er schien bester Laune zu sein.
    Meister David
deutete eine leichte Verbeugung an und blieb dann unbeweglich vor dem
Richtertisch stehen. Schweigend erwartete er Anweisungen. Das wilde schwarze
Haar, das er wie immer offen trug, umhüllte wie ein dichter Mantel die breiten
Schultern, wobei sich an seinen Schläfen bereits die ersten grauen Strähnen
zeigten. Seine große Gestalt versuchte er unter einem weiten Umhang aus
Hundeleder zu verbergen, zu den knielangen Hosen trug er hohe Stiefel, die mit
Straßenschlamm beschmutzt waren.
    Berner rümpfte die
Nase, als er den Dreck auf den blank gescheuerten Dielen bemerkte. Um sich für
die Unverfrorenheit des Henkers

Weitere Kostenlose Bücher