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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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zu rächen, mit solchen Stiefeln auf dem Rathaus
zu erscheinen, wandte er sich zunächst mit einer Beschwerde an ihn.
    »Meister David, Ihr
habt uns, den Herren von beiden Räten, Anlass zu Unmut gegeben. Ihr seid
unserer Aufforderung im Mai, den Taler Brüchtenstrafe für Euer Trinkgelage in
Berndt Brockhausens Haus auf dem Sonntag unter der Predigt zu bezahlen, nicht
nachgekommen. Eher ward Ihr geneigt, Euch der Gerechtigkeit des Rates durch ein
infames Schreiben zu entziehen. Wir betrachten Eure übermütige Antwort, dem
Kämmerer keine drei Groschen geben zu wollen und ihm stattdessen einen zu
furzen, als eine Herausforderung unserer städtischen Obrigkeit. Was habt Ihr
dazu vorzubringen?«
    Gelassen zuckte
David mit den Schultern und musterte Berner verächtlich. »Wenn es so
geschrieben steht, so wird es schon seine Richtigkeit haben«, knurrte er. Schon
lange war dies seine Art, den Herren von Lemgo seinen Unwillen auszudrücken.
    »Der Scharfrichter
von Lemgo und Detmold glaubt wohl, mit seiner Hinwendung zum Landesherrn auf
das bessere Pferd gesetzt zu haben. Ist Er, Meister David, etwa zu mächtig
geworden und will nun unsere beiden Obrigkeiten gegeneinander ausspielen?«,
beteiligte sich Cothmann unvermutet an dem Gespräch.
    Der Landmann hatte
den Ausführungen des Stadtsekretärs ruhig im Hintergrund zugehört und bisher
gelangweilt mit einem Brieföffner gespielt. Während für Berner die Beschwerde
an den Henker nur eine lästige Formsache war, nutzte Cothmann jetzt die
Gelegenheit, um den Scharfrichter in seine Schranken zu weisen. Zu sehr war er
ihm bereits ein Dorn im Auge. Ein Henker, der schneller als er an Macht und
Ansehen gewann und dies in ungehorsamster Weise auszuspielen gedachte,
bedeutete eine potenzielle Gefahr für ihn.
    David Claussen
runzelte die Stirn. »Was wollt Ihr, Sohn einer Hexe, von mir? Seid Ihr
vielleicht ein Ratsmann, dass es Euch zukommt, über mich zu urteilen?«
    Der Stadtsekretär
hatte sich ächzend erhoben. »Ruhe, meine Herren!«, schnarrte er, als er sah,
wie Cothmanns Hand in Richtung Degen zuckte. Eine Auseinandersetzung zwischen
dem Scharfrichter und dem ehrgeizigen und manchmal vorwitzigen Landmann im
geheiligten Rathaussaal würde seine Würde nur der Lächerlichkeit aussetzen.
»Meister David, bringt den Delinquenten Diedrich Stockmeyer zur Tustodie, wo
die Magd Grete untergebracht ist. Wir werden ihn ihr gegenüberstellen. Euch,
Landmann, möchte ich bitten, dem actum confrontationis beizuwohnen und alles anzuhören!«
    »Hoher Herr«,
Cothmann nahm seine untertänigste Haltung an, »gestattet mir, hier noch einen
Augenblick zu verweilen und später nachzukommen. Ich möchte die Maria
Rampendahl zu den Vorkommnissen befragen.«
    »Ihr, Landmann?«
Berner hob erstaunt die Augenbrauen. »Aber Ihr habt keine Befugnis. Nur ein
Ratsmann darf Befragungen vornehmen.«
    »Ihr wisst, dass ich
die Rechte studiert habe und den hohen Richter Dr. Heinrich Kerckmann in
seinem Sinn vertrete.« Die Impertinenz Berners ärgerte ihn, aber im Gegensatz
zu dem alten Mann hatte er Zeit. Genügend Zeit, um darauf hinzuwirken, dass
dieser arrogante Greis sich eines Tages doch noch seinen Anordnungen fügen
würde.
    Der Stadtsekretär
ahnte nichts von Cothmanns Gedanken, und alles, was im Sinne seines alten
Freundes Kerckmann geschah, hatte seine Zustimmung. Er nickte gnädig. »Gut,
Cothmann, aber beeile Er sich!«
    Während er dem
Henker und dem Kämmerer gebot, ihm zu folgen, warf er einen Blick auf die
kleine Taschenuhr an der goldenen Kette in der Innenseite seines Rockes. »Ich
erwarte Euch im Hexenturm, Landmann, und waltet mit Vorsicht. Rampendahl ist
ein unliebsamer Gegner, wenn es um seine Tochter geht!«
    Als die schwere
Tür hinter Maria ins Schloss fiel, verharrte sie unschlüssig auf der Stelle.
Der riesige Saal schien leer. Ein Umstand, den sie höchst merkwürdig fand. »Ist
hier jemand?«, fragte sie zaghaft und schritt zögernd vorwärts. Laut hallten
Marias Worte von den hohen Wänden wider und verliehen der Situation etwas
Gespenstisches.
    »Trete Sie ruhig
näher, Jungfer!«
    Maria erschrak und
hielt inne. Die Stimme kam aus dem großen Ratssessel vor dem Feuer im Kamin,
von dem sie nur die mit Leder reich verzierte Rückenlehne sehen konnte. Sie
machte sich auf eine Überraschung gefasst.
    Aufmerksam behielt
sie den Stuhl im Auge und antwortete mutig: »Erst, wenn Ihr mir Euer Angesicht
zeigt.« Schon bedauerte sie es heftig, das Angebot des Vaters abgewiesen

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