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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Bürgermeister jederzeit als Brautwerber willkommen
heißen!«
    Hermann Cothmann
ließ sich hinter dem Schreibtisch ächzend in den Lehnstuhl des Richters fallen.
Ihm war speiübel, allerdings wusste er nicht, ob sein Zustand von der Schmach
oder dem Schlag herrührte. Nachdenklich starrte er die Tür an, hinter der Maria
mit dem Henker verschwunden war. Nervös spielte er mit dem Federkiel, bis er
ihn wütend mit den Fingern zerquetschte und auf den Boden warf. »Warte nur,
meine Schöne«, murmelte er, »der Tag meines Sieges wird kommen, und auch dir,
David Claussen, werde ich das freche Maul schon noch stopfen!«
    Im unteren Teil des
Rathausgewölbes hielt David plötzlich vor Maria inne. Sie stand mit dem Rücken
zur Mauer, während er seltsam lächelnd auf sie hinabsah. Allein mit ihm
zwischen den ehrwürdigen Mauern überkam sie ein merkwürdiges Gefühl. Zum einen
spürte sie zum ersten Mal wildes Verlangen nach einem Mann, zum anderen zollte
sie dem Henker gebührenden Respekt. Der leicht spöttische Gesichtsausdruck ließ
sie erahnen, dass er, der in der Liebe erfahren war, ihre Empfindungen erriet.
Verwirrt schoss ihr die Röte in die Wangen, und sie beeilte sich, sich für die
Rettung zu bedanken. »Meister David, ich glaube, ich stehe tief in Eurer Schuld.
Ich werde meinem Vater von Eurer Ritterlichkeit berichten. Solltet Ihr jemals
meines Vaters oder meine Hilfe benötigen, so werdet Ihr immer auf uns zählen
können.«
    »Es ist schon
seltsam, Jungfer Maria«, lächelte er zurück, wobei er ihre Gestalt prüfend
umfing. »Jetzt kreuzen sich nach so langer Zeit wieder unsere Wege, und wieder
musste ich Euch aus einer ungewöhnlichen Situation befreien. Ein so anmutiges
Weib wie Ihr sollte vorsichtiger sein und das Haus nicht allein verlassen. Fast
bin ich geneigt, an eine Gottesfügung zu glauben, dass wir uns wiederbegegnen.
Wäre ich nicht mit meinem Weib Agnesa verheiratet, so würde ich mich auf der
Stelle in Euch verlieben. Eure Jungfernschaft wäre vor mir nicht mehr sicher.
Ihr seid wie eine wunderschöne Rose. Deshalb lasst Euch von einem Mann raten,
der sich auf Frauen ebenso wie aufs Töten versteht: Achtet auf Euch. Hütet Euer
wertvollstes Gut vor solchen Schelmen wie dem Landmann. Denn wie schnell ist
eine Rose gebrochen, noch bevor sie in voller Schönheit erblühen konnte.«
    Seine Worte
streichelten über ihre Haut, während seine Hände ruhig am Degenknauf
verharrten. In dem verlassenen dunklen Gewölbe gab Maria sich der Illusion hin,
dass nicht der Henker von Lemgo zu ihr sprach, sondern der Mann, den sie sich
heimlich in ihren Träumen vorstellte. Damals auf seinem Pferd waren ihre
sogenannten Gefühle noch kindliche Schwärmerei gewesen. Doch jetzt, mit dem
Herzen des Weibes, das sich nach der Leidenschaft eines Mannes sehnte, spürte
sie mehr denn je, wie die Gefühle für den wilden David wieder entflammten.
    Ohne dass sie es
verhindern konnte, begann ihr Herz aufs Heftigste zu schlagen. Im Ratssaal war
sie eben noch mutig und zu Spott aufgelegt gewesen, doch in der Einsamkeit des
Gewölbes fühlte sie sich ihm hilflos ausgeliefert. Die Stimme versagte ihr den
Dienst, während sie seinen leidenschaftlichen Blick erwiderte. Plötzlich spürte
sie sich wie auf Schwingen emporgetragen, und noch ehe sie darüber nachdenken
konnte, was ihr geschah, riss er sie an seine Brust. Sie vermochte weder zu
denken noch sich zu wehren. Als sein Gesicht sich dem ihren näherte, öffnete
sie einen Hauch breit die vollen Lippen und schob sie ihm voller Verlangen
entgegen. Sie spürte seinen heißen Atem an ihrer Wange.
    »Bei Luzifer, was
tun wir?«, flüsterte er heiser, dann trug Maria die Leidenschaft fort, und der
Boden unter ihr öffnete sich, als seine brennenden Lippen sich ungestüm auf
ihren Mund pressten. Hastig, fast brutal, erkundeten seine Hände ihren Körper.
Sie waren rau und heiß und riefen nie gekannte Wonnen in ihr wach. Doch noch
ehe sie die Reue einholen und ihr Gewissen sie aus dem Rausch erwecken konnte,
hatte er sie bereits wieder losgelassen. Nach wenigen Sekunden, hin und her
gerissen von seinen Gefühlen, packte er sie ein zweites Mal und zog sie fest an
sich, wobei er ihr tief in die Augen sah, bevor er sie wieder sichtlich
verwirrt von sich stieß.
    »So verzaubern und
vom rechten Weg abbringen kann mich nur eine Hexe«, keuchte er erregt. »Kreuze
nie wieder meinen Weg, Maria, nie wieder! Ich bin der Henker von Lemgo und
nicht mehr frei. Gewiss bin ich nicht der Mann,

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