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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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seine
Berührung jetzt unrein, Hochwürden?« Sie hob zum ersten Mal seit langer Zeit
die Lider und suchte nach einer Antwort in seinem Gesicht. Der Grund ihrer
blauen Augen war klarer als das Weihwasser im Taufbecken.
    »Nein!« Nachdenklich
schüttelte er die Lockenmähne. Um ihre Gefühle nicht zu verletzen, musste er
die Worte mit Bedacht wählen. David stieß ihn in seiner Eigenschaft als
Scharfrichter ab, brach er doch fast tagtäglich Gottes Gebote. Als Mensch aber
war er durchaus nicht zu verachten. Andreas kannte ihn als einen guten und
gottesfürchtigen Familienvater. Im Falle von Maria war anscheinend sein wildes
Temperament mit ihm durchgegangen. Aber wie sollte er nun weiterreden,
spiegelten sich in ihren Augen doch die Wonnen dieser ersten Liebe wie ein
loderndes Feuer wider?
    »Meister David ist
ein stattlicher Mann«, begann er vorsichtig. »Er ist stark, und Ihr liebt
Stärke. Schon weil auch Euer Vater ein starker Mann ist, den Ihr ebenfalls
vergöttert.«
    Sie nickte.
    »Aber David ist kein
Mann im üblichen Sinne. Bedenkt: Er ist der Mann, durch dessen Hände viele
Menschen in unserer Stadt den Tod erleiden. Auch schert er sich wenig um die
Gebote Gottes. Fast täglich bricht er eines davon. Er ist aufbrausend,
aufbegehrend und hat die meisten Händel in der Stadt. Wie sein Herr, der
ehrenwerte Richter Kerckmann, versucht auch er, sich an den Hingerichteten und
ihren Hinterbliebenen zu bereichern. Andererseits ist er ein guter Chirurgus
und ein liebevoller Vater. In unserer schlimmen Zeit, in der fast jedes Kind
ersetzbar ist, bemüht er sich redlich um das Wohl seiner acht Nachkömmlinge. Er
ist ein Mann in den besten Jahren, aber er ist verheiratet und könnte Euer
Vater sein, Jungfer Maria.«
    »Aber auch er hat
eine Seele, Hochwürden. Ich habe sie gespürt. Sie ist sanft und ehrbar, stark
und schön.« Ihr Blick verklärte sich.
    »Aus Euren Worten
schließe ich, dass Ihr ihn sehr liebt.« Andreas erhob sich und sah nachdenklich
auf sie hinunter.
    »Ja, Hochwürden, das
tue ich. Ich liebe ihn. Ich weiß, dass diese Liebe Sünde ist und niemals
Erfüllung finden wird, aber was kann ich gegen ihre Schmerzen und ihre Wonnen
tun, wenn Gott es so will?«
    »Die Liebe hat Eure
Sinne verwirrt, mein Kind.« Andreas ergriff ihre Hände. Sie waren weich und
schmal wie die einer Königin. Sanft zog er sie zu sich herauf und sah ihr in
die blauen Augen. Seltsam. Je länger er ihrem Blick standhielt, umso mehr
musste er sich eingestehen, dass diese junge Frau selbst auf ihn nicht ohne
jede Wirkung war. War dies unschuldige Weib etwa doch eine leibhaftige
Versuchung des Teufels?
    »Ihr müsst ihn
vergessen, mein Kind«, sagte er mit belegter Stimme. »Auch wenn er der
ehrbarste Bürger dieser Stadt wäre und regelmäßig zum sonntäglichen Kirchgang
erschiene.« Maria maß ihn erschrocken. Verlegen senkte er die Augen. »Er wird
niemals ehrbar wandeln wie ein Christ, und durch das tägliche Vollsaufen mit
Bier und Branntwein wird er der Stadt ein ewiges Ärgernis sein.«
    Ihr unschuldiger
Blick machte ihn unruhig. Bisher hatte er sie immer als das Kind des Freundes
gesehen, doch mit einem Mal bemerkte er anstelle des Kindes das erblühte Weib.
Mit auf dem Rücken verschränkten Händen begann er nervös zwischen den
Betstühlen umherzulaufen. Was David widerfahren war, widerfuhr nun auch ihm.
Der Zauber dieses Weibes führte ihn in Versuchung. Um dem teuflischen Spiel zu
widerstehen, erklärte er: »Gott, meine Tochter, kann nicht irren, Menschen
können es jedoch schon. Tagtäglich werden Menschen von den Richtern zum Brennen
auf dem Scheiterhaufen verurteilt, und David ist der Vollstrecker dieser
grausamen Urteile. Seine Seele kann bei all dem vielen unschuldig vergossenen
Blut nicht rein geblieben sein.«
    Mit verzehrenden
Blicken war er vor ihr stehen geblieben und zog sie nun in die Falten der
Soutane. Erschrocken bemerkte Maria den Wandel, der mit ihm vorging. Während
sie noch überlegte, was den Beichtvater so verändert haben mochte, hatte er
sich bereits wieder in der Gewalt. Erregt schob er sie von sich und schlug das
Kreuz Gottes über ihr. Er verspürte so etwas wie Eifersucht auf David, wollte
aber die Gebote Gottes nicht übertreten. Wenigstens bei ihm würde der Teufel
kein Glück haben. »Eure Großmutter Salmeke und Euer Schulmeister, sie sind
durch seine Hand gerichtet worden«, erinnerte er Maria. »Sie waren die
unschuldigen Opfer unfähiger Richter und eines Henkers, der an ihrem

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