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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Tod
verdiente. Vergesst das nie, meine Tochter, wenn Ihr Euch in Liebe nach ihm
verzehrt!«
    Schweigsam hatte
Maria ihm zugehört. Hochwürden erschien ihr mit einem Mal wie ein Fremder. Das
war nicht mehr der Prediger, den sie von Kindesbeinen an kannte. Er schien sich
zu einem Märtyrer aufzuschwingen, der mit ketzerischen Worten längst nicht mehr
nur den Scharfrichter anklagte. Sie hatte auf einen weisen Rat gehofft,
zumindest aber auf Vergebung, stattdessen jedoch verwirrte er sie. Also stimmte
das Gerücht vielleicht ja doch, und die Witwe Böndel hatte ihn tatsächlich auf
dem Freien Hof unter den tanzenden Hexen gesehen. Hastig schlug sie das Kreuz
vor der Brust. Es drängte sie danach, Hochwürden und die Kirche zu verlassen,
um allein mit sich und Gott zu sein.
    »Er wird Euch
niemals lieben, meine Tochter. Und so Gott es will, wird er auch Euch eines
Tages töten. Ihr seid jung und schwärmerisch verliebt in den ersten Mann, der
Euch auf den Mund geküsst hat. Aber das wird sich legen, wenn der erste
Brautwerber um Eure Hand anhält. Er wird Euch die göttlichen Wonnen der wahren
Liebe schenken, mein Kind.«
    Die Worte verhallten
ungehört unter der Kirchenkuppel. Maria vernahm sie nicht mehr. Verwirrt und
die Gedanken voller unbeantworteter Fragen, rannte sie zwischen den
Kirchenstühlen hindurch auf den Ausgang zu.
    »Ho!« Caspar
schnalzte mit der Zunge und ließ die Peitsche über den Pferderücken sausen. Das
Fuhrwerk rumpelte schwankend über den Steinweg außerhalb des Ostertors.
    »Seht, Schwestern,
oben auf dem Berg die Feuerräder!« Sein Arm wies zur Spitze des Holzhauser
Berges, wo vor dem dunklen Himmelszelt die ersten Osterräder aufflammten. Als
sich die riesigen Holzkonstruktionen mit dem brennenden Roggenstroh erst
schwerfällig und dann mit einem riesigen Feuerschweif lichterloh und immer
schneller durch die Dunkelheit talabwärts bewegten, kreischten die Mädchen auf
dem Wagen vor Entzücken auf.
    Maria hielt zur
Linken Margaretha, zur Rechten die Schwester Ilsabein im Arm. Mit großen Augen
verfolgten sie die herabstürzenden Räder, während sich Caspar zurückneigte und
in den Wagen hineinrief: »Nun, Schwestern, für welche von euch Schönen lassen
die Junggesellen denn nun die Räder zu Tale?« Ein zweistimmiges Kichern war die
Antwort.
    Einzig Maria war
verdächtig ruhig geblieben. Ein wenig wehmütig dachte sie an Henrich
Borchmeyer. Er war der Letzte gewesen, den die Gerüchte über sie und die Mutter
davon abgeschreckt hatten, beim Vater um ihre Hand anzuhalten. Die Erinnerung
an Christoph Stockmeyer schmerzte sie hingegen stärker. Sicher war er jetzt
gerade zusammen mit den Burschen auf dem Berge und widmete sein Feuerrad der
Knochenhauer-Maria.
    »Nun, Schwestern,
haltet eure Osterkerzen bereit. Festhalten, ich fahre euch jetzt zum Osterfeuer
vor die Kirche«, riss Caspar sie aus den Gedanken.
    Nachdenklich blickte
sie auf die mit Bildern verzierten Kerzen der Schwestern. Margaretha hatte mit
bunten Farben eine Taube und ein Lamm auf den Talg gemalt, Ilsabein die Sonne
und das Wasser. Da die Nachbarn ihr und der Mutter den Zutritt zur Kirche
verwehrten, hatte sie ihre Kerze nicht verziert. Erst letztens, vor dem
sonntäglichen Kirchgang, waren sie von der Stockmeyer und der Böndel vor der
ganzen Gemeinde als Hexen beschimpft und bespuckt worden. Seitdem mied Maria
den Gottesdienst und war auch zum Abendmahl nicht mehr erschienen.
    »Wieso hast du deine
Kerze nicht bemalt, Maria?«, fragte Margaretha und rollte Marias blanken
Kerzenstumpf in der Hand. »Willst du sie denn nicht am Osterfeuer entzünden und
in die Kirche tragen? Sie ist doch das Symbol für das Leben.«
    Abwesend sah Maria
zum Berg hinauf. »Ach, Margaretha, ich verderbe euch doch nur die schöne
Osternacht. Es ist das Beste, wenn ich hier im Wagen zurückbleibe und ihr für
mich eine Kerze mit entzündet.«
    »Was ist mit dir,
Maria?«, fragte Margaretha besorgt und legte die Kerze sanft in ihren Schoß
zurück. Beunruhigt ergriff sie die Hand der Schwester. »Das bist doch nicht du,
Maria! Wovor hast du solche Angst? Dass du eine Hexe bist, das sind nur
Gerüchte, und Gerüchte werden auch wieder verstummen. Wir haben doch Freunde,
und solange Caspar oder der Vater in deiner Nähe ist, wird niemand dir etwas
anhaben.«
    Maria seufzte leise.
»Vielleicht hast du ja recht, Schwester, und ich sollte alles nicht so
schwarzsehen. Für den Notfall habe ich ja einen Retter, der, so Gott es will,
stets im richtigen

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