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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Moment erscheint.« Träumerisch schloss sie die Augen.
    »Ich weiß genau, an
wen du jetzt denkst. Aber den schlag dir mal besser aus dem Kopf, bevor er dir
noch den deinen abschlägt«, flüsterte ihr Margaretha mahnend ins Ohr.
    Maria seufzte.
»Selbst wenn ich’s wollte: Ich kann ihn einfach nicht vergessen. Und warum
sollte ich auch? Mich will ja sowieso kein ehrbarer Mann. Wenn er so küsst wie
David, dann soll mich ruhig der Teufel holen.« Die letzten Worte hatte sie so
leise gesprochen, dass nur Margaretha sie verstanden hatte. Sie erinnerte sich
an seine glühenden Augen.
    In diesem Moment
wurden sie hart gegen die Holzplanken gedrückt. Caspar hatte das Gespann auf
den Kirchplatz gelenkt und zwischen mehreren größeren und kleineren Fuhrwerken
zum Stehen gebracht. Unweit von ihnen dösten vor einem riesigen Schlagbaum ein
paar angepflockte Pferde vor sich hin. Aus der Ferne erklang Musik von Flöten
und Cistern, die von dem Gesang junger Mädchen begleitet wurde.
    Caspar sah zu den
Kirchtürmen hinauf, deren Spitzen in ein rötlich goldenes Licht getaucht waren.
»Sie haben das Osterfeuer schon entzündet«, frohlockte er und sprang flink vom
Kutschbock. »Na, was ist, Schwestern?« Er klappte die Stufe herunter. »Jetzt
aber schnell das Tanzbein geschwungen. Sicher gibt es auch gutes Bier und
Branntwein.« Er hob den Zeigefinger in die Luft und schnupperte in alle vier
Himmelsrichtungen. »Riecht ihr es auch?« Genüsslich strich er sich über den
Lederkoller, den er über dem Wams trug. »Es duftet herzhaft nach Gesottenem und
Gebratenem.«
    Ritterlich reichte
er zuerst der jüngeren Ilsabein und dann Margaretha die Hand beim Aussteigen.
Als Maria zögerte, fasste er sie um die Hüften und hob sie schwungvoll vom
Wagen. »Du wirst dich von den dummen Gerüchten der Nachbarn doch nicht vom
Tanzen abhalten lassen, Schwester? Du bist jung und schön, und die Burschen
warten sicher schon alle auf dich«, versuchte er sie aufzuheitern und hakte sie
unter. Als er sah, dass sie lächelte, grinste er zufrieden. »Na also, und der
Vater erwartet uns sicher schon mit einem Fass guten Bieres. Nun aber los!«
    Singend und kichernd
erreichten sie den Freien Hof. Obwohl er als verwunschener und heimlicher
Hexentanzplatz verschrien war, wurde just auf ihm in der Nähe von St. Nikolai
in der Osternacht ein Holzstoß angezündet, um der Freude über das Ende des
langen Winters Ausdruck zu verleihen. Das riesige Feuer loderte bereits unter
dem sternenklaren Abendhimmel, während sich rundherum, zwischen den Wagen mit
Bierfässern und Buden, die Alten wie die Jungen ausgelassen tummelten. Die
heiratsfähigen jungen Mädchen hatten sich an den Händen gefasst und tanzten
singend um das Feuer herum, während sich die mutigsten Burschen anschickten,
durch das Feuer zu springen, um der Liebsten ihren Schneid zu beweisen.
    Caspar zog die
Schwestern lachend an blökenden Lämmern und grölenden Betrunkenen vorbei in die
Nähe des Feuers.
    »Für wen willst du
denn springen, Bruder?«, kicherte Maria. »Kenne ich sie?«
    »Natürlich für die
Maria!«
    »Was? Die Vieregge?«
    »Sie ist nach dir
die Zweitschönste in der Stadt.«
    Maria war abrupt
stehen geblieben. Die Freude auf ihrem Gesicht war einer lähmenden Starre
gewichen. Jedem hübschen Mädchen hier hätte sie seinen Sprung gewünscht, denn
ihr Bruder Caspar war ein stattlicher junger Bursche, den sich so manche
Jungfer zum Ehemann wünschte, aber niemals würde sie ausgerechnet der Maria
Vieregge diesen wunderbaren Mann gönnen. Mit in die Seiten gestemmten Händen
schrie sie laut gegen den Gesang der Mädchen an: »Neiiiin! Das wirst du nicht!
Nicht für sie!«
    Im Nu war auch
Caspars gute Laune verflogen. Barsch fasste er sie am Arm und zog sie weiter.
»Du wirst mir nichts verbieten. Ich bin der Ältere, und selbst wenn ich um
Marias Hand freien würde, hättest du mir nicht reinzureden!« Trotzig schüttelte
er die rotblonde Mähne.
    Ein Streit zwischen
den Geschwistern war nichts Ungewöhnliches, schließlich waren sie beide aus dem
gleichen Holz geschnitzt. Nicht selten ging dabei das Temperament mit ihnen
durch, und jeder vertrat stur seine Meinung. Doch dass sie ihm gerade in der
Osternacht die gute Laune verderben musste, nahm er ihr übel. Trotzig streckte
er das Kinn nach vorn und hielt Ausschau nach Maria Vieregge. In seinen blauen
Augen funkelte es wild.
    »Ich werde es nicht
zulassen«, schimpfte Maria stur in seinem Rücken und hinderte ihn

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