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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Weitergehen.
    »Nur weil du sie
nicht leiden kannst, muss ich sie noch lange nicht meiden«, zischte er ihr über
die Schulter zu. »Bevormunden kannst du unsere Schwestern, nicht mich.« Er ließ
ihre Hand los und begab sich zu den Burschen, die sich abseits vom Feuer auf
den Sprung vorbereiteten.
    Ärgerlich sah sich
Maria nach den Schwestern um, doch Margaretha und Ilsabein waren während des
Streites abgedrängt worden und tanzten bereits fröhlich um das Feuer. Allein
zurückgelassen, schrie sie Caspar versöhnlich hinterher: »Caspar! Lass mich
nicht hier stehen, nimm mich mit, bitte!«
    »Die Hexe ist
hier!«, rief jemand im selben Moment hinter ihr. Sofort wandten sich alle Köpfe
um. Neugierige strömten aus allen Richtungen herbei, um die Hexe mit eigenen
Augen zu sehen. Als die Flötenmusik verklang und die Mädchen aufhörten zu
tanzen, hatte sich ein Halbkreis um Maria gebildet.
    Zunächst wurde nur
untereinander hinter vorgehaltener Hand getuschelt, dann wurden die Stimmen
lauter, und die Ersten zeigten mit Fingern auf sie. Ängstlich sah Maria sich
nach Caspar um, während sie vor der vorwärtsdrängenden Masse zurückwich. Links
von sich sah sie, wie Caspar von einigen Burschen bewusst an den Armen
zurückgehalten wurde. Er wand sich wie ein gefangener Stier.
    »Maria, lauf zum
Wagen. Lauf weg!«, schrie er in Sorge.
    Glutrot und
gespenstisch loderte das Feuer im Hintergrund. In den vordersten Reihen kamen
die Nachbarn Stockmeyer, Reineking, Echtner und die Rullmann auf sie zu. Sie
hatten sich mit den anderen Gaffern zu einer undurchdringlichen Mauer
untergehakt und beobachteten sie lauernd mit vom Alkohol aufgedunsenen
Gesichtern, während sie Schritt für Schritt bedrohlich näher rückten. Eine
Walze aus schwitzenden und stampfenden Leibern. Es gab kein Entrinnen mehr.
    Maria spürte, wie
ihr Herz vor Angst bis zum Halse schlug. Ihre Augenlider flatterten, und die
Finger zitterten nervös in der Seide ihres Rockes, während sie sich verzweifelt
nach einem Fluchtweg umsah. Nur noch wenige Schritte, und die Menge würde sich
über sie hermachen, sie treten, anspeien, ihr an den Haaren reißen und sie
steinigen.
    Doch plötzlich
überkam sie eine seltsame Ruhe. Statt der Angst fühlte sie eine nie empfundene
Kraft in sich aufsteigen. Den Nachbarn würde sie sich nicht ausliefern. Sie
wollte es ihnen zeigen! Entschlossen nahm sie allen Mut zusammen. Wenn man sie
schon für eine Zauberin hielt, dann wäre es doch am klügsten, auch als eine
solche aufzutreten.
    »Was wollt ihr von
mir?«, schrie sie laut über die Köpfe hinweg, beugte ihnen den Oberkörper
entgegen und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Habt ihr euch nicht bei meinem
Vater um Jahr und Tag mit Freibier die Bäuche vollgesoffen? Euch mit seinem
Brot vollgefressen? Hast du, Catharina Böndel, nicht gar oft um Feuer gebeten
und wenn dir mal das Salz ausging, auch welches erhalten? Sind wir nicht seit
Jahren gute Nachbarn?«
    Sie lauschte in die
Menge, in der sich ein leises Murren regte. Einige traten beschämt von einem
Fuß auf den anderen. Es war um ein Vielfaches einfacher, sich im Wirtshaus zu
den Gerüchten um die Hexe auszulassen, als ihr nun von Angesicht zu Angesicht
gegenüberzustehen.
    »Hört nicht auf das
listige und verschlagene Weibsbild, das andere behände bestricken und verführen
kann!«, rief plötzlich eine Nachbarin, Brachts Ehefrau.
    Sofort kam erneut
Bewegung in die Menge. »Sie ist eine famose Giftmischerin und Gotteslästerin!«,
tönte es von rechts.
    Und Brachts Ehefrau
fügte bestätigend hinzu: »Die Hexe hat meine Mutter vergiftet!«
    Catharina Böndel
wies hysterisch immer wieder mit dem knochigen Finger auf sie und spuckte ihr
abfällig vor die Füße. »Ihretwegen wurden mein seliger Mann Diedrich
hingerichtet und meine Magd Grete verbrannt!« Sie brach in einen hysterischen
Weinkrampf aus.
    »Lüge nicht, Brachts
Frau!«, schrie Maria erbost zurück. »Deine Mutter war alt und gebrechlich. Aus
meinen Händen hast du lediglich Medizin erhalten, die ihre Leiden lindern
sollte. Du weißt, dass ich meinem Bruder Caspar in der Barbierstube zur Hand
gehe und mich deshalb auf die Kräuterkunde verstehe. Ich bin keine
Giftmischerin.«
    Unerschrocken machte
sie einen Schritt nach vorn auf die Böndelsche zu, die vor der vermeintlichen
Zauberin sofort das Kreuz schlug und in den Schutz der Gruppe zurückwich. »Und die
Grete, Mutter Böndel, war eine Hure und Kindsmörderin. Sie hat den Tod
verdient.«
    Nun

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