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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Kloake …
    »Jungfer
Rampendahl!«
    Wie im Traum spürte
sie den Druck einer Hand auf ihrer Schulter. Als Hochwürdens Gesicht
verschwommen vor ihr auftauchte, lächelte sie ihn mit verklärten Zügen an. »Ich
habe dem Obersten der Hexengesellschaft mit einem Kuss auf den After gehuldigt.
Ich bin jetzt eine der ihren.«
    »Was redet Ihr da,
Kind? Es sind die giftigen Dämpfe der Kloake, die Eure Sinne verwirren. Ich bin
es, Pfarrer Koch!« Er vergewisserte sich, dass sie niemand beobachtete, dann
hielt er ihr die Hand vor den Mund, packte sie und zog sie hastig in eine
Mauernische. »Hier hinein!«
    Maria bewegte sich
noch immer, als ginge sie auf Wolken, und murmelte seltsame Verse vor sich hin.
Andreas musste sie festhalten, damit sie nicht stolperte. »Jungfer! Kommt zu
Euch! In Gottes Namen, Ihr bringt uns noch alle auf den Scheiterhaufen!«
    »Der Rosenkranz,
Euer hochwohlgeborener Höllenfürst!« Mit verklärtem Gesicht drückte sie Andreas
die Gebetsschnur in die Hand, dann verdrehte sie die Augen und sank ohnmächtig
zu seinen Füßen nieder.
    »Verdammter
Teufelszauber!«
    Ärgerlich beugte
Andreas sich zu ihr hinab und schob ihr prüfend die Augenlider hoch. »Herr,
vergib mir diesen Fluch.«
    Er bekreuzigte sich,
hob sie auf und warf sie über die Schulter. Huckepack trug er Maria rasch die
dunkle Gasse entlang, bis er mit ihr hinter einer Tür verschwand, die in ein
unterirdisches Gewölbe führte.
    Langsam hob
Maria die schweren Lider. »Wo bin ich?«, hauchte sie. Ihre Augen mussten sich
erst an das flackernde Halbdunkel gewöhnen. Sie ließ sie langsam umherwandern,
bis sie an dem fremden Gesicht hängen blieben. Nach einem Augenblick schnellte
sie, wie von einer Mistfliege gestochen, hoch.
    »Was soll das, hohe
Herren? Was wollt Ihr von mir?«
    Mit halb
aufgerichtetem Oberkörper blickte sie entsetzt auf die vermummten Gestalten,
die sie schweigend umstanden.
    »Die Herren wollen
Euch nichts antun, mein Kind.« Andreas Koch reichte ihr seine Hand und half ihr
beim Aufstehen. »Im Gegenteil. Wir sind erleichtert, dass es Euch wieder besser
geht und Euer Geist wieder klar ist. Meister Davids Filler haben keine gute
Arbeit geleistet. Ihr habt direkt über einer Kloake gestanden und der giftigen
Dämpfe zu viel eingeatmet.«
    »Aber ich habe den
Teufel gesehen!«
    »Das Bild müsst Ihr
sofort vergessen, meine Tochter. Die Dämpfe haben schlimme Visionen in Euch
hervorgerufen! Sie haben Euch etwas vorgegaukelt, was es nicht gibt. Auf dem
Freien Hof tanzen keine Hexen, die Häuser stehen viel zu dicht, und Gottes Haus
wacht über den Platz. Eure Hexen würden Furcht bekommen!« Zustimmendes
Gelächter aus dem Hintergrund quittierte seine Worte.
    »Aber wer sind die
Herren dort, Hochwürden?« Andreas’ Worte hatten einleuchtend geklungen. Sie
machten Maria mutiger, und während sie sich daran erinnerte, weshalb sie sich
allein zum Freien Hof aufgemacht hatte, nahm sie ihre Umgebung gründlicher in
Augenschein.
    Offensichtlich
befand sie sich in einer Kammer, die nur vom Kaminfeuer und wenigen
Talglichtern an den rohen Steinwänden erleuchtet wurde und einem Verlies
ähnelte. Zu ihrer Rechten befand sich ein langer, grob behauener Tisch, auf dem
sich Akten, loses Papier und Schriftrollen stapelten. In einer Ecke stand ein
schwarzer Kasten mit einem Holzaufbau. Einer der Herren drehte nun das Rad an
dessen Seite wie ein Schiffsruder um die bewegliche Platte, damit die
Schindelpresse, wie Hochwürden ihr erklärte, schwarze Buchstaben auf ein
Pergament setzte. Ihr Blick fiel auf ein verriegeltes Fenster. Fragend schaute
sie zu den Herren, die allesamt schwarze Kutten trugen und ihre Gesichter unter
Kapuzen verbargen. Nur die ringgeschmückten Handschuhe ließen darauf schließen,
dass es sich um Herren der Oberschicht handelte.
    »Es sind die Herren
Kantor Bernd Grabbe, der Rechtsgelehrte Arnold Spruthe, die Brüder Diedrich und
Heinrich Kleinsorge und der Kaufmann Johann Rottmann.«
    »Der hohe Herr
Rottmann ist der Höllenfürst. Er sitzt ganz oben auf und trägt auf dem
Hexensabbat das goldene Zepter.« Augenblicklich war die furchtbare Vision
wieder zurückgekehrt. Misstrauisch sah sie von Hochwürden zu dem vermummten
Rottmann, der das Rad an der Maschine drehte. »Und die Herren Kleinsorge sind
die Söhne des hochwohlgeborenen Bürgermeisters. Was hat das zu bedeuten?«
Ängstlich bekreuzigte sie sich.
    »Nichts, was Euch
beunruhigen müsste, mein Kind.« Andreas Koch schob seine Kapuze zurück

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