Der Henker von Lemgo
und
lächelte. Zum ersten Mal bemerkte sie, dass er blendend weiße Zähne hatte.
»Wir alle hier sind
der Hexerei beklafft, so wie Ihr, meine Tochter. In der Kirchmesse habe ich
erkannt, dass Ihr die Gerüchte fürchtet, Euch aber dagegen auflehnt. Wir, alle
Herren, die hier vor Euch stehen, denken ebenso. Bis jetzt sind es noch wenige,
aber wir werden immer mehr. Wir müssen den Menschen die Augen öffnen!«
Er tauschte einen
seltsamen Blick mit Rottmann und wies mit der Hand einladend zum Tisch.
»Kommt in unsere
Mitte und nehmt an unserer geheimen Sitzung teil! Ihr sollt erfahren, wie wir
uns gegen die Machenschaften des Hohen Rates zu wehren wissen. Ihr seid ein
mutiges Weib, das im Hause seines Vaters viel sieht und hört. Ihr könntet uns
bei unserer Aufgabe unterstützen.«
»Aber beim Herrn,
dem Allmächtigen, was Ihr vorhabt, ist eine Verschwörung gegen den Hohen Rat,
dem von Gott gegeben wurde zu walten und zu richten.« Unschlüssig trat Maria
von Hochwürden einen Schritt zurück. Konnte sie ihm vertrauen?
»Was geschieht mit
mir, wenn ich den Frevel, an Eurer Verschwörung teilzunehmen, nicht begehe?«
Ihr fiel das Gerücht ein, das seit Tagen in der Stadt zu hören war: Andreas
Koch sollte mit seiner Frau auf dem Hexentanzplatz gesehen worden sein, wo er
mit mehreren vermummten Weibern tanzte, während sich seine Frau in den Armen
von Johann Rottmann wilden Orgien hingab.
»Dann werdet Ihr
sterben!«
Diedrich Kleinsorge
hatte sich als Erster am oberen Ende des Tisches niedergelassen. »Was geben wir
uns mit einem Weibe ab?«, fragte er ungeduldig. Seine Stimme verriet seine
Jugend, entbehrte aber nicht einer gewissen energischen Konsequenz. »Wir
sollten uns lieber beeilen, meine Herren. Bis zum ersten Hahnenschrei verbleibt
uns nicht mehr viel Zeit für das Pasquill!« Gehorsam folgten ihm die Herren und
nahmen ihre Plätze ein.
Maria war blass
geworden. »Hochwürden, ich habe Euch vertraut. Ihr seid mein Beichtvater!«
»Und deshalb,
Jungfer, überlegt Euch Eure Entscheidung gut. Eigentlich habt Ihr keine andere
Wahl. Lehnt Ihr ab, so werden Euch die Herren nicht wieder lebend hinauslassen.
Gebraucht Ihr aber Euren Verstand und erringt ihr Vertrauen, so gewinnt Ihr
vielleicht mächtige Verbündete. Für den Pöbel und den Rat seid Ihr eine Hexe,
diesen Makel kann auch der Herr nicht von Euch nehmen!«
Maria gestattete
sich ein Seufzen. Eingedenk der Lage, in die sie sich selbst durch ihre
Neugierde gebracht hatte, würde ihr wohl nichts anderes übrig bleiben, als der
Verschwörung beizuwohnen. Gleichfalls hörte sie aus Hochwürdens Worten etwas
heraus, das sie hellhörig machte. Doch ihre Gedanken wurden von seinen viel zu
weiten Stulpenstiefeln abgelenkt. Vorsichtig wanderte ihr Blick zu den Herren
am Tisch, die in ihren schwarzen Umhängen auf ihre Entscheidung warteten. Sie
deutete eine Verbeugung an: »Hohe Herren, ich bin nur ein Weib, sagt mir, an
welchem Platz ich Euch zuhören darf.«
»So ist es recht!«
Arnold Spruthe
zündete an dem Platz, der ihrer sein sollte, ein Talglicht an: »Meine Achtung
vor Eurem Mut, Jungfer Rampendahl! Ich versichere, dass Ihr es nicht bereuen
werdet.«
Hochwürden stellte
eine Kanne Wein auf den Tisch, bevor er sich Diedrich Kleinsorge gegenüber
niederließ.
»Ist das Euer guter
Messwein, Andreas?«, frotzelte Rottmann.
»Ich darf doch
annehmen, dass es sich um einen Eurer Scherze handelt? Der Wein ist köstlich
und süß und stammt aus Frankreich.« Andreas nahm einen kräftigen Schluck.
Dezent versuchte er, das Rülpsen zu unterdrücken, als er Maria mit einer
höflichen Geste bat, neben ihm Platz zu nehmen.
»Aber nicht, dass
die Jungfer vorhat, mir den After zu küssen. Ich bin nicht der Teufel, auch
wenn man das von mir behauptet!« Einstimmiges Gewieher begleitete Rottmanns
Witzelei.
Maria senkte
verlegen die Lider, obwohl sie derbe Scherze wie diese gewöhnt war. Doch
zwischen den vermummten Herren fühlte sie sich unwohl und schickte deshalb
immer öfter einen nach Hilfe suchenden Blick zu Hochwürden, der als Einziger
die Kapuze abgenommen hatte. Das Talglicht vor ihm zauberte einen leichten
Schatten auf seine Wangen. Er unterstrich die hohen Wangenknochen, die einen seltsamen
Kontrast zu den leicht ergrauten Haaren bildeten. Die sonst sanften Augen
flackerten wild, als er das Wort ergriff.
»Meine Herren, Ihr
wisst, dass mein Amt es erfordert, wider das Zaubereilaster zu erinnern, dass
man damit behutsam umgehen müsse.
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