Der Herr der Habichts - Insel
sie fort: »Herr Rorik, ich habe dich auf eine harte Probe gestellt. Die Götter wissen, wie sehr ich dich gereizt und gequält habe, so sehr, daß du mich am liebsten erdrosselt hättest. Wenn es dein Wunsch ist, werde ich dich heiraten, Herr. Und ich werde beständig und treu sein wie der Abendstern. Ich werde nicht zulassen, daß dir ein Leid geschieht, solange ein Atemzug in mir ist.«
Rorik lächelte, und Mirana meinte, noch nie ein schöneres Lächeln gesehen zu haben.
Da fing Entti zu lachen an, klatschte sich auf die Schenkel und lachte, bis ihr die Tränen übers Gesicht liefen.
Rorik und Mirana sahen sie verständnislos an. Entti lachte noch lauter. Die Näharbeit rutschte zu Boden. »Nein«, japste sie. »Das halte ich nicht aus. Ihr beide führt euch auf wie zwei stolze Krieger, die nicht genau wissen, ob sie noch verfeindet sind. Ihr redet von Heirat und plustert euer Gefieder auf, prahlt mit euren Kriegskünsten, zollt einander Bewunderung und faselt von eurer Ehre. Kein Wort von Zuneigung, Zärtlichkeit und Liebe. Ihr prahlt nur mit männlichen Tugenden. Bei allen Göttern, euer Balztanz ist ein wahrhaft heiterer Anblick.« Sie lachte wieder und hielt sich die Seiten.
Hafter hörte ihr Lachen, sprang auf die Füße und kam mit finsterem Gesicht auf die drei zu. »Hat sie dich beleidigt, Rorik? Soll ich sie züchtigen? Wo ist der Strick? Ich binde sie an meinem Gürtel fest. Aber Schuld hat die andere — sie hat Entti schlimmes Zeug beigebracht, sie hat sie dazu gebracht, uns zu hassen. Das haben wir nicht verdient, sie . . .«
Entti sah ihn lachend an und wischte sich die Tränen von den Wangen. »Noch so ein großer Krieger, der auf seine Rechte pocht. Geh weg, Hafter, du langweilst mich. Deine Zunge verheddert sich in deiner Dummheit. Bevor du gehst, wünsche deinem Herrn Rorik und Mirana Glück. Sie wird nämlich die Herrin der Habichtsinsel und Roriks Gemahlin.«
Hafter starrte zuerst Entti und dann Rorik fassungslos an.
»Dieses Weib willst du heiraten, das dich öfter töten wollte, als ich zählen kann? Sie wird dir die Kehle aufschlitzen, wenn du mit ihr im Bett liegst. Bei allen Göttern. Sie beißt dir die Zunge ab, wenn du sie küssen willst! Sie stößt dir das Knie in deine Männlichkeit. Sie entmannt dich und lacht dabei. Entti war einfältig, und jetzt ist sie es nicht mehr. Rorik, du aber warst bei klarem Verstand und bist jetzt wohl verrückt geworden. Es ist alles ihre Schuld — diese Frau mit ihrem schwarzen Haar und den grünen Augen, hinter denen sich ein Geheimnis verbirgt. Sie verwandelt die Menschen und bringt sie dazu, Dinge zu tun, die sie noch nie getan haben.
Ich schicke nach deinem Vater in Malverne. Er wird dich zur Vernunft bringen. Wenn du sie begehrst, fessle sie und dann besteige sie solange, bis du ihrer überdrüssig bist. Aber heirate sie nicht, Rorik. Sie stürzt dich ins Verderben.«
Entti stand auf und schlug ihre Faust mitten in Hafters Magen. Dabei schrie sie ihm ins Gesicht: »Du Narr! Du hast weniger Hirn als ein brünftiger Ziegenbock! Kerzog hat mehr Verstand als du! Hast du kein Herz, keine Gefühle? Hast du nicht gehört, was Herr Rorik sagte?«
Hafter war von den Äußerungen der neuen Entti wieder einmal völlig verdattert. »Halt den Mund, Weib! Du hast keinen Verstand. Nein, einfältig bist du nicht, dafür hat die andere gesorgt. Aber du hast keine Ahnung, wie sehr das Weib Rorik und uns alle haßt.«
»Hafter«, wandte Rorik ruhig ein. »Es reicht. Ich brauche deine Verteidigung nicht. Genug davon.«
»Nein, es ist doch zu seltsam. Rorik. Du wirst morgen aufwachen und dich fragen, welcher Dämon von dir Besitz ergriffen hat, und dann wirst du . . .«
»Hafter, es reicht.«
Hafter starrte seinen Freund, der ihm näher stand als seine Brüder und den er schon sein ganzes Leben lang kannte, entgeistert an. »Rorik, es ist also kein Scherz?«
Rorik schüttelte den Kopf. Er lächelte. »Nein, mir ist nicht nach Scherzen zumute. Mirana hat meinen Antrag angenommen. Wir werden morgen Hochzeit feiern. Es wird ein Festmahl geben. Du mußt mir vertrauen. Wenn sie mich zum Gemahl nimmt, dürfte es dir nicht so schwer fallen, sie zu akzeptieren. Vertrau mir. Ich weiß, was ich tue.«
»Aber ihr Halbbruder hat Inga und deine Kinder gemeuchelt und viele unserer Leute!«
»Er ja, aber nicht sie. Warum soll ich ihr die Schuld daran geben? Sie durchschaut Einar. Sie hat mir die Treue geschworen.«
Hafter konnte es nicht fassen. Ein Treueschwur
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